Deutsche Polizisten in einem Eiscafé in Duisburg.

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Dutzende mutmaßliche Mitglieder der Mafiaorganisation 'Ndrangheta sind am Mittwoch bei einer internationalen Großrazzia festgenommen worden. Mehrere hundert Polizisten durchsuchten Gebäude in Deutschland, Italien, Belgien, den Niederlanden sowie im südamerikanischen Surinam und nahmen rund 90 Verdächtige fest.

Koordiniert wurde die Operation "Pollino" von der europäischen Justizbehörde Eurojust. Diese erklärte, den Verdächtigen würden "Kokainhandel, Geldwäsche, Bestechung und Gewalt" vorgeworfen.

Kokain, Ecstasy und Bargeld

"Heute haben wir eine klare Botschaft an kriminelle Vereinigungen in ganz Europa gesendet", sagte der stellvertretende Eurojust-Chef Filippo Spiezia auf einer Pressekonferen. "Sie sind nicht die Einzigen, die grenzüberschreitend arbeiten können." Die Beamten beschlagnahmten den Angaben zufolge vier Tonnen Kokain, 120 Kilogramm Ecstasy und zwei Millionen Euro Bargeld. Die Durchsuchungen fanden unter anderem in italienischen Restaurants und Eiscafés statt.

Die Einsätze in Deutschland richteten sich nach Angaben der deutschen Behördenvertreter bei der Pressekonferenz gegen 47 Verdächtige. 65 Wohnungen, Restaurants und Büros seien durchsucht worden, vor allem in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Spiezia sprach von einem "nie da gewesenen und außergewöhnlichen Ergebnis" des Einsatzes, der sich gegen "gefährliche Mitglieder der 'Ndrangheta-Familie" gerichtet habe, "die tief verwickelt sind in Drogenhandel und Geldwäsche".

Nach Angaben des niederländischen Staatsanwalts Fred Westerbeke begannen die Ermittlungen, nachdem bei zwei italienischen Restaurants im Süden der Niederlande der Verdacht von Geldwäsche aufgekommen war. Dabei seien kriminelle Verbindungen nach Deutschland und Kalabrien – der Heimat der 'NDrangheta – entdeckt worden.

"Nur ein erster Schritt"

Dank der weitverzweigten Verbindungen der 'Ndrangheta seien Drogen in die Häfen von Rotterdam in den Niederlanden und Antwerpen in Belgien geschmuggelt und von dort in ganz Europa weiterverkauft worden. Laut Westerbeke gab es auch Razzien in Surinam, einer früheren niederländischen Kolonie in Südamerika.

In Belgien konzentrierten sich die Einsätze auf die Provinz Limburg, eine Hochburg italienischer Einwanderer. Die in Italien Festgenommenen waren nach italienischen Angaben vor allem in der Gegend um die Stadt Reggio Calabria aktiv.

Der italienische Anti-Mafia-Staatsanwalt Federico Cafiero De Raho sagte, die Einsätze würden das Drogenhändler-Netzwerk der 'Ndrangheta auf der ganzen Welt beeinträchtigen. Doch das sei "nur ein erster Schritt". Die Festnahmen seien "nichts" für die 'Ndrangheta, es müssten tausende Menschen festgenommen und Milliarden beschlagnahmt werden".

Europol sprach von einem "bedeutenden Schlag gegen eines der mächtigsten italienischen kriminellen Netzwerke weltweit". Der aus Italien stammende EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani gratulierte der italienischen Polizei und erklärte: "Europa kämpft gegen die kriminellen 'Ndrangheta-Gruppen."

Stärkste Mafiaorganisation Deutschlands

Die 'Ndrangheta hat ihren Ursprung im süditalienischen Kalabrien, aber die Organisation hat ihre kriminellen Machenschaften längst auf ganz Italien und ins Ausland ausgeweitet. In Italien hat sie den Mafiaorganisationen Cosa Nostra aus Sizilien und Camorra aus Neapel den Rang abgelaufen. Nach Angaben der italienischen Behörden ist die 'Ndrangheta die einzige Mafiaorganisation, die auf allen Kontinenten präsent ist.

Auch in Deutschland ist die 'Ndrangheta die stärkste Mafiaorganisation: Nach Zahlen des BKA von April dieses Jahres gehörten von insgesamt 585 bekannten Mafiamitgliedern in Deutschland 344 der kalabrischen Organisation an.

Der italienischen Polizei war erst am Dienstag ein Schlag gegen die sizilianische Mafiaorganisation Cosa Nostra gelungen: Sie nahm deren neuen Chef Settimino Mineo sowie mindestens 45 weitere Verdächtige fest. (APA, dpa, 5.12.2018)