Bild nicht mehr verfügbar.

Zahlreiche, teils langjährige Nutzer von Tumblr suchen nun nach einer neuen Heimat im Netz.

Foto: Reuters

Das Internet und Pornos sind praktisch untrennbar miteinander verbunden. Genaue Zahlen fehlen, aber je nach Schätzung sollen explizite Inhalte bis zu 30 Prozent des Datenverkehrs ausmachen. Der Umgang mit nackter Haut ist dabei von Plattform zu Plattform unterschiedlich. Offiziell wird Pornografie meist geächtet. Entsprechende Apps sind etwa auf iTunes und Google Play verboten. Der einstige Apple-Chef Steve Jobs wird gar mit den Worten zitiert, dass man sich "ein Android-Smartphone kaufen solle", wenn man Pornos konsumieren wolle.

Doch auch abseits dezidierter "XXX"-Plattformen wie Youporn oder Pornhub gibt es Platz für Sex und Erotik. Eine davon war das Blogportal Tumblr. Doch auch dort gelten nun deutlich strengere Regeln. Das jüngst ausgesprochene Pornoverbot sorgt für einige Kritik. Und es zeigt auch, wer im Internet oft die Macht darüber hat, welche Inhalte User sehen können.

Plötzliche Kehrtwende

Das Verbot kam überraschend. Jahrelang hatte sich Firmenchef David Karp vor jene Nutzer gestellt, die mit ihren Inhalten auf Facebook und Co keine Chance hätten. Als Tumblr 2013 von Yahoo geschluckt wurde, erklärte auch die damalige Yahoo-Chefin Marissa Mayer, dass man keine Angst vor einem Verlust wichtiger Werbepartner habe, da man mit den eigenen Tools verhindern könne, dass diese möglicherweise auf Blogs werben, die für ihre Marke nicht angemessen seien.

Dieser Zugang machte Tumblr nicht nur zu einem "sicheren Hafen" für Nutzer, die allerlei Pornobilder weiterverbreiteten, sondern auch für Erotikkünstler, Sexarbeiter und Mitglieder der LGBTQ-Community, die hier Gleichgesinnte fanden. Diese sehen sich vor den Kopf gestoßen und suchen nach Alternativen.

Weitreichendes Verbot

Fast zehn Jahre war etwa Melissa Drew auf Tumblr unterwegs. Als Model und Künstlerin für Erwachseneninhalte verfügt sie über ein mittlerweile großes digitales Portfolio auf der Seite. Im Vorfeld des Pornoverbots, das am 17. Dezember in Kraft tritt, erreichen sie nun nicht nur verunsicherte Nachrichten von Kollegen und Bekannten, sondern auch unzählige Warnmeldungen von Tumblr über Einträge, die künftig als Regelverstoß gelten.

Offiziell verbietet das neue Regelwerk die Abbildung von "Geschlechtsakten, menschlichen Genitalien und weiblichen Brustwarzen". Laut Drew hatte der Filter des Portals aber viel mehr in die kommende Blockliste einsortiert, wird sie von "Wired" zitiert. Darunter etwa bereits zensierte Nacktbilder oder Fotos von Personen in erotischer Unterwäsche.

Schwierige Suche nach neuer Netzheimat

Die Sexarbeiterin und politische Aktivistin Liara Roux steht vor einem ähnlichen Problem. Auch sie wird von den neuen Richtlinien zum "digitalen Umzug" gezwungen. Das zwingt sie nicht nur dazu, teilweise von vorne beginnen zu müssen, da ein Plattformumzug mit Reichweitenverlust verbunden ist. Selbst die Frage nach dem Wohin ist schwer zu beantworten. Denn für Inhalte wie ihre gibt es zunehmend weniger Alternativen.

Sie und andere empfanden die Nutzergemeinde auf Tumblr und den Umgang der Plattformen mit ihnen als bestärkender, als es etwa auf Youporn und Co der Fall ist. Mit der Entfernung sexueller Inhalte von Mainstream-Seiten werde es sowohl für Sexarbeiter als auch für marginalisierte Communities immer schwieriger, sich zu vernetzen, sagt sie. Das bestätigt sich auch in Gesprächen, die der "Guardian" geführt hat.

Strengere Gesetze und App-Store-Rauswurf

Warum Tumblr dieses Verbot einführt ist nicht ganz klar. Vor kurzem wurde die Tumblr-App aus Apples iTunes-Katalog geworfen, weil User auf kinderpornografisches Material gestoßen sind. Tumblr verstärkte daraufhin seine Moderation, bis jetzt wurde der iOS-Client für das Portal aber nicht wieder zugelassen. Dass das Pornoverbot etwas mit dem Store-Rauswurf zu tun hat, stellt das Unternehmen allerdings in Abrede.

Bild nicht mehr verfügbar.

Das Pornoverbot kommt nicht gut an.
Foto: Reuters

Ein Zusammenhang könnte aber auch mit zwei neuen Gesetzeserlässen in den USA zu tun haben. Im März passierten der "Fight Online Sex Trafficking Act" (Fosta) und der "Stop Enabling Sex Traffickers Act" (Sesta) den Kongress. Sie sollen Ermittlern mehr Möglichkeiten geben, um Menschenhandel im Internet aufzuklären. Jedoch brachten sie auch neue Regelungen für den Umgang mit Online-Inhalten mit. Vorgesehen ist, dass Plattformanbieter künftig für von Nutzern hochgeladene Inhalte haftbar gemacht werden können. Unmittelbar nachdem US-Präsident Trump die Gesetze unterzeichnet hatte, wurden zahlreiche Reddit-Foren geschlossen und die Crowdsupport-Seite Patreon strich seine Unterstützung für Erwachseneninhalte.

330.000 Unterschriften für Verbotsrücknahme

Offenbar um der Gesetzgebung bestmöglich zu entsprechen und sich für Werbepartner attraktiver zu zeigen, wählt Tumblr nun sogar einen sehr restriktiven Umgang mit sexuellem und erotischem Content und zeigt damit, dass letztlich Internetkonzerne entscheiden, was wir online sehen können. Damit riskiert man allerdings auch den Abgang signifikanter Teile der eigenen Nutzerschaft.

Diese wiederum versucht sich zur Wehr zu setzen. In einer Online-Petition fordert man die Rücknahme der neuen Regeln. Wenn Tumblr eine Plattform ohne explizite Inhalte wolle, solle man ein neues Portal aufsperren und nicht die jahrelange Arbeit vieler User "niederreißen". Rund 330.000 Unterzeichner hat das Anliegen bereits gefunden. Dass Tumblr sein Pornoverbot wieder aufheben wird, ist allerdings unwahrscheinlich. (red, 5.12.2018)