Mit dem STANDARD-ZYKLUS über die Periode reden.

Illustration: Reinhilde Becker

Laut einer Umfrage finden 70 Prozent der Burschen die Periode "unwichtig" – doch 88 Prozent der Mädchen leiden unter Menstruationsbeschwerden.

Illustration: Becker Reinhilde

Es passierte in der Dusche der Mädchengarderobe. Carrie, Heldin des gleichnamigen Horrorfilmklassikers, genießt ihre Dusche. Die samtige Seife, das heiße Wasser, Flöten und Geigen unterstreichen diese letzten Momente in Frieden und Unschuld, kurz bevor das Blut kommt. Erst ist es an ihren Händen. Als Carrie an sich herabsieht, entdeckt, woher es kommt, ergreift sie Panik. Völlig ahnungslos, womit sie es zu tun hat, rennt sie aus der Dusche, schreit um Hilfe – und wird von ihren Mitschülerinnen verhöhnt. Kreischend bewerfen sie das Mädchen mit Tampons und Binden. Diese Filmszene stammt aus dem Jahr 1975, doch es ist ein zeitloses Szenario, das viele Mädchen bis heute mehr oder weniger drastisch in ihren Köpfen haben, wenn sie die ersten Male ihre Menstruation haben.

J.R. Taylor

Scham, Unsicherheit, Unwissenheit treffen ganz und gar nicht nur Mädchen, die – wie Carrie – aus einem strenggläubigen Haushalt kommen. Obwohl die Weltreligionen für die Abscheu vor der Menstruation eine feste Basis schufen, die unseren Umgang mit der Periode bis heute prägt. Die These von der Menstruation als Strafe Gottes für Evas Schuldenfall haben die katholischen Mönche des Mittelalters erfolgreich im kollektiven Unbewussten verankert. Das Blut, die Schwangerschaft – all das waren dem Katholizismus generell zu sichtbare Indizien für die Existenz von Sexualität, da wird schon mal die Frau selbst zum Problem. Muttergottes natürlich ausgenommen, aber die hatte – so die Theorie der damaligen Theologen – auch nie menstruiert.

Im 3. Buch Mose gelten Frauen während der Menstruation als unrein. Eine Unreinheit, die sich auf alle überträgt, die eine menstruierende Frau berühren. Im orthodoxen Judentum dauert diese "rituelle Unreinheit" sogar 14 Tage an, erst nach umfangreichen Bädern kann die Frau diesem Zustand entkommen, der sie von allen religiösen Handlungen ausschließt.

Frauen bitte draußen bleiben

Die Ächtung menstruierender Frauen in gläubigen Gemeinschaften führt bis heute nicht nur zu sozialen Ausschlüssen, sie kann sogar töten. Im größtenteils hinduistischen Nepal werden viele Frauen während ihrer Periode aus ihrem Zuhause verbannt. Die hygienischen Bedingungen und oft gefährlichen Umstände in abgelegenen Hütten oder Ställen kosten immer wieder Frauen und Mädchen ihr Leben. Auch das inzwischen installierte Verbot dieser Praxis wird den Glauben an die Unreinheit der Frauen vermutlich nicht endgültig ausmerzen. "Achtung!" heißt es auch auf Hinweistafeln vor Tempeln in Bali und Indien: Frauen müssen während ihrer Tage draußen bleiben.

Völlig frei von Tabus ist die Periode auch in Europa nicht. Das Unternehmen Erdbeerwoche, das Bio-Tampons und waschbare Binden verkauft, befragte 2017 über 1100 Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren. 60 Prozent der Mädchen gaben an, ein negatives Verhältnis zu ihrer Menstruation zu haben, 70 Prozent der Burschen fanden das Thema "peinlich" und "unwichtig". Diesem "Unwichtig" stehen 88 Prozent der Mädchen gegenüber, die angaben, unter Regelschmerzen zu leiden. Das ist alles andere als nebensächlich, doch ihre Mitschüler scheinen davon nichts mitzubekommen. Alles schön unter Verschluss.

Maximale Kontrolle über den Körper

Das passt offenbar nicht nur ins Mittelalter, sondern auch in eine Zeit, in der ein ästhetisch ansehnlicher, sauberer Körper ein hohes Gut ist. Wo kein Bauch wabbeln und kein Körperhaar sprießen darf, weil das schon Ekel und Angst vor Kontrollverlust hervorruft, hat es die Menstruation nicht leicht. Die Soziologin Paula-Irene Villa spricht im Zusammenhang mit dem herrschenden Körperideal von "glatten, verschlossenen, kompakten" Körpern, das die maximale Kontrolle über unsere Körper unter Beweis stellen soll.

Fließendes Blut passt da gar nicht ins Bild. Dementsprechend groß war die Aufregung, als im Jahr 2015 die Feministin Kiran Gandhi einen Marathon während ihrer Periode lief – und das Blut fließen ließ.

Darf die denn das? Immerhin haben Tamponwerbungen Frauen jahrzehntelang vermittelt, dass "unbeschwerte" Tage während der Tage, von Sport ganz zu schweigen, erst ordentlich versiegelt möglich sind. Binden und Tampons sollen "absolute Sicherheit" bieten bei allem, was Frauen so tun. In den Pool springen, weiße Hosen tragen, tanzen, schlafen – ganz ohne das Laken zu versauen. Ein Leben trotz Periode. Werbespots zu Damenhygieneprodukten schließen somit ganz gut an das Mittelalter und Horrorszenen über die Periode an. Doch nachdem sich jahrelang Kinder, Jugendliche und vermutlich auch manche Männer über die hellblaue Flüssigkeit wunderten, die in TV-Spots über diese windelartigen Dinger geschüttet wurde, werden die Bilder jetzt expliziter, deutlicher.

Rot statt Blau in der Werbung

2016 bewarb eine britische Firma ihre Binden erstmals mit Blut, der Slogan lautete: "Menstruation ist normal. Sie zu zeigen, sollte es ebenso sein." Das Unternehmen sprang damit der noch jungen Bewegung der Period Pride oder Period Positivity bei, die eine deutliche Reaktion auf plötzliche Neuauflagen einer Menstruationsstigmatisierung war. So wurden etwa die Bilder der menstruierenden Künstlerin Rupi Kaur erst dann so richtig berühmt, als die Internet-Fotoplattform Instagram Kaurs Selbstporträts in blutbefleckter Hose oder auf blutbefleckten Bettlaken nach Meldung einiger User löschte – eine Zensur, die Prüderie und ein veraltetes Frauenbild verdeutlichte.

Kaur kritisierte darauf die Doppelmoral von Twitter, Facebook und Instagram: Brüste und Hintern in "sexy" Posen oder Nacktheit werden geduldet, solange sie einem sexualisierten Frauenbild entsprechen. Geht es aber um eine Darstellung des Frauenkörpers abseits von jener eines Sexobjekts, reagieren die social Zensoren sehr schnell zimperlich.

Wie die Aktionistinnen

Ein neu entdeckter Menstruationsstolz entfaltet sich auch in der sogenannten Period Art. Die Künstlerin Sarah Levy etwa malte mit Periodenblut ein Porträt von Donald Trump, nachdem dieser im US-Präsidentschaftswahlkampf über die Fox-News-Moderatorin Megyn Kelly, die ihn kritisch interviewte, gesagt hatte: "Man konnte förmlich das Blut aus ihren Augen kommen sehen. Blut von welchen Stellen auch immer." Mit dem Bild Bloody Trump knüpfte Levy an Arbeiten von Aktionskünstlerinnen der 1960er-Jahre an, die ebenfalls mit Menstruationsblut arbeiteten.

Ein Blick auf die 1960er- und 1970er-Jahre erinnert übrigens daran, dass womöglich der Feminismus selbst dazu beitrug, den religiös und kulturell erzeugten Ekel in den letzten Jahrzehnten zumindest teilweise aufrechtzuerhalten. Nach der zweiten Frauenbewegung und der jahrtausendelang gültigen Erzählung von der "Andersheit" von Frauen, mit der deren Unterdrückung gerechtfertigt wurde, wollte man nichts mehr davon hören. Man hatte die angeblichen "Wesensunterschiede", die "natürliche Verschiedenheit", die so viel Diskriminierung brachte, satt. Daher setzten sich vor allem die Ideen des Gleichheitsfeminismus durch, während der Differenzfeminismus schnell aus der Mode kam. Letzterer wollte weiter auf Unterschiede setzen, wenn auch in einem positiven Sinne, etwa indem er von der "besonderen Kraft des Weiblichen" sprach.

Vom Gleichheitsfeminismus geprägt

Der Gleichheitsfeminismus wollte hingegen aufzeigen, dass Frauen dieselben Fähigkeiten haben wie Männer. Er forderte, dass Frauen alles tun können, was sie wollen – ohne auf ihre weibliche Anatomie reduziert zu werden, die bisher so erfolgreich mit intellektueller und moralischer Unterlegenheit verknüpft wurde. Es ist daher nur plausibel, dass vor allem die vom Gleichheitsfeminismus geprägten Frauen so kurz nach den ersten Erfolgen der Frauenbewegung nicht so schnell wieder über ihren Körper und schon gar nicht von ihrer Menstruation reden wollten.

Der neue Menstruationsaktivismus zeigt nun aber, dass Facetten des Differenzfeminismus wieder salonfähiger sind. Junge Autorinnen schreiben ganz selbstverständlich von der "schöpferischen Kraft" der Regel, und poppig aufgemachte Bücher über den Zyklus werden mit Slogans wie "Weibliche Power-Potenziale" feilgeboten.

Trotzdem sind in Büros die Wärmflaschen auf dem Schoß noch selten zu sehen, die Forderungen nach zusätzlichen freien Tagen für menstruierende Frauen kaum zu hören, und kostenlose Tampons und Binden in öffentlichen Toiletten sind noch immer eine Rarität. (Beate Hausbichler, 7.12.2018)