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Der Einfluss der Agrarlobby ist als Folge der politischen Turbulenzen in Brasilien wieder gewachsen. Die Vernichtung des Regenwaldes im Amazonasgebiet nimmt erneut zu.

Foto: AP / Vinicius Mendonca / Ibama

Brasilien tritt beim Klimaschutz auf die Bremse. Das sorgt bei der 24. Klimakonferenz im polnischen Katowice, die offiziell noch bis 14. Dezember läuft, für Gesprächsstoff. Denn der künftige Präsident Jair Bolsonaro macht Politik im Sinne der Agrar- und Minenlobby, die ihn im Wahlkampf großzügig unterstützt hat. Das Amazonasgebiet ist für Brasiliens Rechtsaußen in erster Linie ein Rohstoffreservoir, das es auszubeuten gilt. Ein wichtiger Baustein des Pariser Klimapaktes, mit dem die Erderwärmung in den Griff bekommen werden soll, ist aber der Schutz des Amazonas als grüne Lunge der Welt.

Brasilien hat zudem vergangene Woche seine Kandidatur für die Ausrichtung der 25. UN-Klimakonferenz im kommenden Jahr zurückgezogen. Zunächst ließ das Außenministerium wissen, dass die angespannte Finanzlage der Grund sei. Bolsonaro, der auch "brasilianischer Trump" genannt wird, deutete jedoch auch an, dass er ähnlich wie der US-Präsident das Pariser Klimaabkommen aufkündigen könnte.

In einem 40-minütigen Facebook-Video schimpfte Bolsonaro zudem jüngst über die "kapriziöse" brasilianische Umweltbehörde Ibama, die er am liebsten schließen würde. Dafür will er mit Ländern, die "nicht so ideologisch" sind, einen Pakt für die Rohstoffausbeutung des Amazonas schließen. Chinas Botschafter hat er diesbezüglich bereits empfangen.

Hotels in Naturschutzgebieten

Keine Erwähnung findet dagegen, dass sich rund die Hälfte aller weltweit geschützten Flächen in Brasilien befindet. Fast ein Drittel des Landes zählt dazu. Auch die mehr als 300.000 Ureinwohner im Amazonas und die geschätzt 80 unkontaktierten Völker ohne eigene Reservate tauchen in Bolsonaros Visionen nicht auf.

Dafür hat der Ex-Militär aber konkrete Pläne, was mit den ausgewiesenen Naturschutzgebieten geschehen soll. So will er den Tourismus entwickeln und dort Hotels bauen lassen. "Wenn es Hotels in Schutzgebieten gibt, bleibt die Natur geschützt", sagt er. Der Tourismus schütze die Umwelt, allerdings "nicht in dieser fanatischen Art wie Ibama". Es ist selbst für Bolsonaro-Anhänger schwierig, dieser Logik zu folgen.

Nicht nur Hotelbetreiber, auch die Minenlobby und Holzfäller erhalten einen Freifahrtschein. Allein die Aussicht auf einen Präsidenten Bolsonaro ließ die illegale Abholzung des Regenwaldes zwischen August bis Oktober um knapp 50 Prozent ansteigen, wie die Zahlen des staatlichen Weltrauminstitutes Inpe belegen.

"Keinen Zentimeter für Indianerreservate", tönte Bolsonaro bereits im Wahlkampf. Denn wo Schutzgebiete seien, gebe es auch Bodenschätze. Insgesamt leben im Amazonas 436 indigene Stämme auf 1,2 Millionen Quadratkilometern. "Die Holzfäller, die in unser Gebiet eindringen, sind schwerbewaffnet", berichtet der Kazike Awapu vom Amazonasstamm Jupaú in Rádio Brasil Atual. Überall herrsche Angst. Dabei haben die Ureinwohner ein in der Verfassung festgeschriebenes Recht auf das Land, auf dem sie leben. Obwohl das Land offiziell im Eigentum des Staates verbleibt, ist die Nutzung ausschließlich den indigenen Völkern vorbehalten.

"Risiko eines Genozids"

Im vergangenen Jahr wurden in Brasilien 70 Ureinwohner bei Landkonflikten getötet. Cleber Buzatto vom Indianermissionsrat Cimi warnte bei einer Anhörung vor den Vereinten Nationen in Genf schon vor dem "Risiko eines Genozids" an Brasiliens Ureinwohnern. Auf die Unterstützung der Indianerbehörde Funai können die indigenen Stämme schon lange nicht mehr hoffen. Bereits unter der noch aktuellen neoliberalen Regierung von Michel Temer wurden der Behörde die Mittel um 44 Prozent gekürzt. Kontrollposten, die die Indianerreservate schützen sollen, wurden als Erstes abgezogen. Bolsonaro hält Funai sogar für gänzlich überflüssig und will die Behörde abschaffen.

Besorgnis erregte auch Bolsonaros Ankündigung, das Umwelt- mit dem Agrarministerium zusammenzulegen – unter dem Deckmantel der Effizienz. Ausgerechnet der noch amtierende Agrarminister Blairo Maggi, der auch einer der größten Sojaproduzenten Brasiliens ist, begehrte gegen die Zusammenlegung auf. Nach einer Welle des Protests aus allen politischen Ecken hat Bolsonaro inzwischen diesen Vorschlag zurückgenommen und will, wenn man seinen Worten glauben mag, auch nicht mehr aus dem Pariser Klimapakt aussteigen, diesen dafür aber neu verhandeln. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 6.12.2018)