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George Soros kündigte an, dass seine Open Society Foundation die Türkei verlassen werde.

Foto: AP Photo/Francois Mori

Die Lage für in der Türkei tätige NGOs wird immer schwieriger. Nun kündigte der Milliardär und Philanthrop George Soros an, dass seine Open Society Foundation die Türkei verlassen werde. "Haltlose Anschuldigungen und Vorwürfe haben die Arbeit in diesem Land unmöglich gemacht", hieß es in einer Erklärung. Die Open Society Foundation war seit 2001 im Land aktiv gewesen.

Erst vor wenigen Tagen wurde der Umzug der ebenfalls von Soros gegründeten Central European University (CEU) von Ungarn nach Österreich fixiert.

Präsident Tayyip Erdoğan hatte Anfang November von "diesem berüchtigten ungarischen Juden" gesprochen und Soros beschuldigt, die Gezi-Proteste 2013 zusammen mit dem türkischen Unternehmer und Mäzen Osman Kavala finanziert zu haben.

Verhaftungen im November

Es ist nicht das erste Mal, dass Erdoğan Soros mit Kavala in Verbindung bringt. Der türkische Philanthrop sitzt seit über einem Jahr ohne Anklage im Gefängnis Silivri. Seine Stiftung Anadolu Kültür setzt sich für kulturelle Diversität, Menschenrechte und historische Aufarbeitung ein.

Erst Mitte November waren wieder Mitarbeiter verhaftet worden – unter ihnen befand sich auch Ali Hakan Altinay, Direktor der Open Society Foundation. Ihnen wird wie Soros vorgeworfen, die Gezi-Proteste gefördert und finanziert zu haben.

Für Erdoğan ist Soros Kavalas eigentlicher Finanzier. Dabei war das Verhältnis zwischen beiden früher gut. Erdoğan zeigte sich Anfang des Jahrtausends gerne mit Soros. Damals hatte er den Philanthropen zu überzeugen versucht, dass seine AKP für eine offene türkische Gesellschaft stehe. Soros wiederum hatte die Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen mit der Türkei befürwortet und galt als Unterstützer des damals noch liberaleren Kurses der AKP.

Wendepunkt Gezi-Proteste

Das Verhältnis änderte sich 2013 – eben mit den Gezi-Protesten. Damals waren es vor allem junge, liberale Türken aus der Mittelschicht, die gegen Erdoğans zunehmend autoritären und konservativen Kurs protestierten. Die Proteste wurden teils brutal niedergeschlagen.

Ein Vertreter einer deutschen Stiftung, der namentlich nicht genannt werden möchte, zeigt sich besorgt angesichts dieses neuen Narrativs. Das Vorgehen gegen die Open Society Foundation habe alle überrascht. Zunehmend werden jetzt in der regierungstreuen Presse Vertreter der Zivilgesellschaft mit Putschisten in Verbindung gebracht. In der ultrakonservativen Zeitung Yeni Akit war etwa zu lesen, Soros habe versucht, den Staat zu infiltrieren. In einem Land, in dem Verschwörungstheorien ohnehin gedeihen, fällt das auf fruchtbaren Boden.

Andere Kommentatoren deuten Erdoğans Tiraden gegen Soros dagegen als Versuch einer Wiederannäherung an US-Präsident Donald Trump. Der hatte kürzlich gemutmaßt, Demonstranten, die gegen die Ernennung Brett Kavanaughs zum obersten Richter protestiert hatten, seien von Soros bezahlt. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 5.12.2018)