Wer Muskeln aufbauen will, muss bis an seine Grenzen gehen, sagen Sportwissenschafter.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Wer Muskelmasse und -kraft aufbauen will, muss den Muskel regelmäßig fordern. Ein überschwelliger Trainingsreiz ist die unabdingbare Voraussetzung, um neuromuskuläre Anpassungen in Gang zu setzen. "Deswegen ist es wichtig, bis zum Punkt des momentanen Muskelversagens zu trainieren. Das heißt, so lange, bis keine vollständige Wiederholung mehr möglich ist", sagt Jürgen Gießing vom Institut für Sportwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau.

Er und sein Forscherteam untersuchten, ob geringere oder höhere Trainingslasten zu einem unterschiedlichen Kraftzuwachs führen. Das Ergebnis: "Es gibt keine Unterschiede – vorausgesetzt, Sie trainieren bis zum Punkt des momentanen Muskelversagens", so Sportwissenschafter Gießing.

Für die Studie kam die Lumbar-Extension-Maschine (LE) zum Einsatz. Mit der computergestützten Maschine lässt sich die Kraft der tiefen Rückenstrecker messen und aufbauen. Trainiert wurde sechs Wochen, einmal wöchentlich. Dabei trainierte eine Gruppe der insgesamt 26 männlichen und weiblichen Teilnehmer mit einer Trainingslast von 80 Prozent des Maximums, gemessen am maximal willkürlichen Drehmoment. Die andere trainierte mit einer Trainingslast von 50 Prozent des Maximums. Während die Probanden mit der niedrigeren Trainingslast im Schnitt 26 Wiederholungen brauchten, um den Punkt der lokalen muskulären Ermüdung zu erreichen, waren es bei den Studienteilnehmern mit der höheren Trainingslast acht Wiederholungen.

Wer sich unterschätzt, trainiert zu wenig

In puncto Kraftzuwachs waren beide Trainingslasten gleich effektiv. Unterschiede gab es jedoch im subjektiven Empfinden der Probanden. "Die Ergebnisse zeigen, dass das Training mit höherer Last und weniger Wiederholungen als angenehmer empfunden wird als ein Training mit geringer Last und mehr Wiederholungen."

Die Wissenschafter führen das auf mit der Trainingszeit ansteigende Ansammlung von Stoffwechselprodukten im Muskel zurück. "Die längere Belastungszeit macht sich im Muskel als Brennen bemerkbar. Dies kann als unangenehm empfunden werden, ist aber völlig unbedenklich", erklärt Gießing. Das kann auch Auswirkungen auf das zukünftige Trainingsverhalten haben: "Wird ein Training als unangenehm empfunden, setzen viele Menschen die Trainingslast herab. Doch genau das Gegenteil kann sinnvoll sein, wie unsere Studie zeigt", ergänzt der Experte.

Jürgen Gießing zufolge unterschätzen sich viele Menschen im Training, indem sie das Trainingsgewicht eher zu niedrig wählen – mit dem Risiko, dass sie die muskuläre Erschöpfung gar nicht erst erreichen. Sein Rat: "Lieber kurz und intensiv trainieren. Dann ist man innerhalb von 90 bis 120 Sekunden am Punkt des momentanen Muskelversagens und stimuliert den Muskel, sich anzupassen." (red, 10.12.2018)