Wien – Die aktuell so virulente Fragen nach dem Blick der Europäer auf fremde Kulturen, trieb Lothar Baumgarten bereits zu Beginn seiner Karriere um. Ende der 1970er-Jahre lebte der 1944 in Brandenburg geborene Künstler achtzehn Monate lang im Amazonasgebiet, bei zwei Stämmen der Yanomami. Die Ergebnisse seiner alternativen Ethnografie gingen 1984 etwa in seine Bodenarbeit für den deutschen Pavillon der Venedig Biennale 1984 ein, eine begehbare Topografie, für die er den Goldenen Löwen erhielt.

Baumgarten, der auch von den anthroposophischen Ideen seines Professors Beuys beeinflusst war, arbeitete mit anthropologischen Sammlungen und machte oft das Archivieren selbst zum Thema. Seine Konzeptkunst prägte das Interesse für Formen der Geschichtsschreibung oder markierte dunkle und verdrängte Kapitel der Geschichte: In Münster erinnern seit den Skulptur Projekten 1987 etwa seine "Drei Irrlichter", drei Glühbirnen hoch oben an einem Kirchturm, an radikal christliche Reformatoren, deren Anführer 1535 brutalst hingerichtet wurden. Ein Mahnmal für den Umgang mit Andersgläubigen.

Am vergangenen Sonntag ist der vierfache Documenta-Teilnehmer, wie die FAZ berichtet, 74-jährig in Berlin gestorben. (Anne Katrin Feßler, 6.12.2018)