Dschibuti ist ein Hauptprofiteur von Chinas Interessen in Afrika. Im Sommer erwarten Leute Präsident Ismail Omar Guellehas (im Bild gerahmt), der ein weiteres Großprojekt mit China eingefädelt hat.

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Dass der dschibutische Geschäftsmann seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, wird schon nach seinem ersten Satz verständlich. "Sie sind mit Drogendealern zu vergleichen", meint der Unternehmer, dessen Familie schon seit drei Generationen in dem afrikanischen Kleinstaat am Golf von Aden lebt. "Sie geben dir so lange alles, was dein Herz begehrt, bis du von ihnen abhängig bist. Und dann wird nach ihrer Pfeife getanzt."

Die Rede ist von den Chinesen, die in Sichtweite der Firma des Unternehmers einen neuen Hafen gebaut haben: Gleich dahinter ist eine riesige, wie eine neuzeitliche Kreuzritterburg wirkende Befestigungsanlage zu sehen. Sie ist der erste militärische Stützpunkt, den die aufstrebende Weltmacht außerhalb Chinas errichtet hat: eine strategisch bestens platzierte Festung, die anderen in Dschibuti militärisch präsenten Weltmächten wie den USA, Frankreich oder Japan ziemliches Kopfzerbrechen bereitet.

Chinas erster Militärstützpunkt außerhalb der Landesgrenzen wurde im August 2017 in Dschibuti eröffnet.
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Kürzlich kündigte Dschibutis Regierung außerdem ihren Vertrag zum Hafenmanagement mit Dubais DP World: Auch das werden vermutlich bald die Chinesen übernehmen. Sie haben schließlich auch die über 700 Kilometer lange Eisenbahnlinie von Dschibuti in die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba gebaut und finanziert – genau wie die zahlreichen neuen Straßen des Kleinstaats, das neue Krankenhaus, das Freihandelszentrum und den Flughafen Bicidley. "Eigentlich alles", sagt der Geschäftsmann.

Chinas Schuldenfalle

Nur ein Teil der chinesischen Zuwendungen sind Geschenke, die man Entwicklungshilfe nennen könnte: Beim Großteil handelt es sich um Kredite, die zurückzuzahlen sind. Dschibuti ist bereits mit über 1,5 Milliarden US-Dollar bei China verschuldet – 88 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts. Erfahrungsgemäß geht ein solches Verhältnis nicht lange gut. Es sei denn, man verpfändet irgendwann sein Familiensilber wie das Management des Hafens. "Genau darauf haben es die Chinesen abgesehen", sagt der dschibutische Geschäftsmann mit finsterer Miene. "Sie wollen unser Land in ihren Griff bekommen."

15 Jahre ist es inzwischen her, dass sich China Afrika zuwandte: Der Handel zwischen dem Kontinent und China explodierte in diesem Zeitraum von zehn auf 170 Milliarden Dollar, rund eine Million Chinesen kamen zum Arbeiten und Geschäftemachen in den heißen Erdteil, weit über 10.000 chinesische Firmen sind inzwischen in Afrika aktiv. Die Aufmerksamkeit der aufstrebenden Weltmacht bescherte dem marginalisierten Kontinent einen beachtlichen Aufschwung: Dass Afrika in den vergangenen 15 Jahren das anhaltendste Wirtschaftswachstum nach der Entkolonialisierung erlebte, wird in erster Linie Chinas Interesse zugeschrieben.

Peking pflegt seine enge Beziehung zu dem Kontinent als "Win-win-Verhältnis" zu beschreiben. Doch angesichts des enormen Kapital- und Machtgefälles zwischen den beiden ungleichen Partnern sind Experten skeptisch. "Es ist, wie wenn ein Fahrradfahrer Fahrt aufnehmen will, indem er sich an einem startenden Jumbojet festhält", meint Yu-Shan Wu, Politologin an der Johannesburger Witwatersrand-Universität. "Das kann ihn enorm beschleunigen – oder ihm den Arm abreißen."

Rassistische Zwischenfälle in Kenia

Die größte Gefahr für die Fahrradfahrer ist zweifellos die Schuldenfalle. Nach Berechnungen der China-Afrika-Forschungsinitiative der Johns-Hopkins-Universität im US-Bundesstaat Maryland stehen Afrikas Staaten bereits mit 130 Milliarden Dollar bei China in der Kreide. Neben Dschibuti drohen sich vor allem Sambia, Äthiopien und Kenia den Arm abzureißen: Der südafrikanische Staat Sambia gibt bereits ein Fünftel seines Jahresbudgets zur Tilgung seiner Schulden aus.

Unter der Last chinesischer Kredite für eine von Chinesen gebaute Eisenbahnlinie musste Kenia seinen Mehrwertsteuersatz kürzlich um bis zu fünf Prozent erhöhen, was den Ärger über die fernöstliche Hilfe zum Brodeln brachte. Dass es beim Bau der neuen Eisenbahnlinie zwischen der Hafenstadt Mombasa und der Hauptstadt Nairobi zu zahlreichen rassistischen Zwischenfällen gekommen sein soll, hat dem Ansehen der chinesischen Baumeister auch nicht genutzt. Überall auf dem Kontinent mehren sich die Klagen über die Schattenseite der Bruderhilfe: Von manchen werden die eher distanziert auftretenden Asiaten bereits als neue Kolonialherren betrachtet.

Widerstand aus Sierra Leone und Uganda

In Sierra Leone sagte der neue Präsident Julius Maada Bio als einer der ersten afrikanischen Staatschefs Nein zu einem von seinem Vorgänger gepushten chinesischen Großprojekt: Ein neuer Flughafen sei für das gerade einmal sieben Millionen Einwohner zählende Ländchen nun gewiss nicht nötig. In Ghana beschweren sich heimische Fischer, dass ihnen chinesische Fischdampfer die Fanggründe leerfegen, und in Mosambik klagt die Bevölkerung über die Zerstörung ihrer Strände durch den Sandabbau chinesischer Firmen.

In Uganda sah sich Präsident Yoweri Museveni nach einer Welle von Einbrüchen in chinesische Firmen gezwungen, das Militär zur Hilfe zu rufen, und in Sambia kam es bereits zu Massenprotesten gegen die Arbeitsbedingungen in von Chinesen betriebenen Kupferminen.

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Die Arbeitsbedingungen in den Kupferminen erzeugen immer wieder Proteste.
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Die Stimmung gegenüber den asiatischen Brüdern droht in zahlreichen afrikanischen Staaten zu kippen. "Die Atmosphäre ist schlecht", sagt die Kenianerin Elizabeth Horlemann, die als interkulturelle Trainerin arbeitet. "Viele Kenianer meinen, dass ihr Land an die Chinesen ausverkauft wird."

Abhörgeräte in AU-Zentrale eingebaut

Da half die jüngste Enthüllung nicht, dass die Chinesen beim Bau des Sitzes der Afrikanischen Union (AU) in Addis Abeba Abhörgeräte in dem Gebäude installierten: Die abgehörten Gespräche wurden offenbar fünf Jahre lang direkt nach Peking durchgestöpselt. Der zu erwartende diplomatische Affront blieb aus: Zumindest Afrikas Staats- und Regierungschefs waren mehr daran interessiert, was Peking seinen Brüdern auf dem Gebiet der Kommunikationskontrolle so alles anzubieten hat.

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Im neuen AU-Sitz hat China gleich Abhörgeräte mit eingebaut.
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Nach Angaben der Washingtoner NGO Freedom House veranstaltet die chinesische Regierung regelmäßig Seminare über elektronische Überwachung und die Zensur des weltweiten Netzes, die stets auf großes Interesse stießen. In ihrem Wunsch nach Absicherung ihrer Herrschaft fühlen sich viele afrikanische Präsidenten mit dem mächtigen chinesischen Parteiführer Xi Jinping seelen- und interessenverwandt.

Nach mehr Geld aus China

Der Drache speit unterdessen weiter goldene Flammen. Beim afrikanisch-chinesischen Gipfeltreffen im September versprach Parteichef Xi zusätzliche 60 Milliarden Dollar in Form von Krediten und zinslosen Darlehen sowie die Finanzierung chinesischer Exporte. Und keiner der 51 anwesenden afrikanischen Präsidenten sagte "Nein, danke".

"Irgendwann wird es ihnen noch leidtun", sagt der Geschäftsmann in Dschibuti. "Aber dann sind ja schon ihre Nachfolger an der Macht." (Johannes Dieterich, 8.12.2018)