Der Weg aus dem Kunstprekariat führt bei Barbis Ruder über die sozialen Medien geradewegs ins lukrative Reich von Ruhm und Leere, sprich: in die Welt der so genannten Influencer. Die erfolgreichsten unter ihnen machen als Werbeträger in der digitalen Welt das große Geld, weshalb sie auch zu Role Models für die Jugend geworden sind – #wennichgroßbinwerdichinfluencer.

Freilich muss auf dem Weg zur erfolgreichen Selfie-AG hart an der Selbstoptimierung und -vermarktung gearbeitet werden, was zum Beispiel heißt: ins eigene Handy lächeln, bis es weh tut. Hart an der Schmerzgrenze ist auch das ins Groteske übersteigerte Gelächter der Kunstfigur "Influenca", die namentlich verspricht, viral zu gehen, so wie sich das für Internet-Phänomene gehört.

Barbis Ruder bietet mit der in marktschreierischer Trash-Optik auftretenden"Influenca" ein leeres Gefäß an, in das sich alles, was Rendite bringt, hineingießen lässt.
Foto: Daniel Jarosch, Collage: Barbis Ruder

Kunstbetrieb im Visier

Barbis Ruder, geboren 1984 in Heidelberg und Absolventin der Wiener Angewandten (Klasse Transmediale Kunst bei Brigitte Kowanz), nimmt immer wieder auch Kunstmarkt und -betrieb ins Visier ihrer performativen Arbeiten. "Influenca" ist ihr digitales Alter Ego, das die Strategien der Online-Selbstvermarktung einerseits persifliert, um sie andererseits unverfroren der Kunstwelt anzueignen.

Weil es, so die Künstlerin, ohnehin jede Menge Parallelen gebe. Zum Beispiel in Form des stetigen Drucks, sich selbst promoten, Sponsoren keilen oder um Ausstellungshonorare feilschen zu müssen, die gerade größere Häuser mit Hinweis auf das durch sie erlangte Renommee oft nicht zu zahlen bereit sind.

Mit subversivem Humor thematisiert Barbis Ruder, wie sich Künstlerinnen und Künstler dem System ergeben müssen.
Foto: Helmut Prochart, Collage: Barbis Ruder

Bestattung eines Logos für 66,66 Euro

Warum also nicht gleich aufs Ganze gehen und dem Turbokapitalismus mit seinen eigenen Waffen begegnen? Ruder bietet mit der in marktschreierischer Trash-Optik auftretenden Influenca ein leeres Gefäß an, in das sich alles, was Rendite bringt, hineingießen lässt: Die titelgebende #Screentime meint käuflich erwerbbare Bildschirmzeit auf dafür bereit gestellten Monitoren, auf lukratives Logoplacement wartet eine Sponsorenwand, für 66,66 Euro kann man das eigene Logo im Rahmen einer Influenca-Performance aber auch bestatten lassen. Am Merchandise-Stand gibt’s Online-Tränen, direkt abgezapft am digitalen Marktplatz der Emotionen.

Die kürzlich präsentierte Studie zur sozialen Lage der Kunstschaffenden spielt der Aktualität dieses auf längere Dauer angelegten Performance-Projekts zweifellos in die Hände. Dessen subversiver Humor zielt aber auch darauf ab, wie sich Künstlerinnen und Künstler dem System ergeben (müssen): #SuperSocial, #LoveMeeToo – die Hashtags schwirren hier nur so herum. Einer lautet #PaidContent und markiert die Videos jener Künstler, die sich in die Ausstellung "eingekauft" und dafür auch eine Zeile im Lebenslauf erworben haben: Teilnahme an einer institutionellen Ausstellung. Das lässt sich bestimmt bestens weiter vermarkten. (Ivona Jelčić, 7.12.2018)

Die für die Ausstellung titelgebende #Screentime meint käuflich erwerbbare Bildschirmzeit auf dafür bereit gestellten Monitoren.
Foto: Daniel Jarosch