In den Straßen von Addis Abeba hingen Bilder von Kurz und Abiy.

Foto: Bundeskanzleramt / Dragan Tatic

Im Stadtteil Bole von Addis Abeba prägte an diesem Donnerstag ein ungleiches Paar auf Plakaten das Bild: Das Porträt von Sebastian Kurz prangte zigfach neben dem Konterfei von Äthiopiens neuem Premier Abiy Ahmed. Ein Begrüßungsritual zu Ehren des österreichischen Bundeskanzlers – laut Botschaft in Addis Abeba die erste so hohe Regierungsvisite aus Wien seit langem.

Abiy Ahmed ist gegenwärtig eine der schillerndsten Politikerpersönlichkeiten auf dem afrikanischen Kontinent. Als Vertreter der Reformer setzte er sich im vergangenen Frühjahr in einem parteiinternen Machtkampf nach massiven Unruhen entlang ethnischer Bruchlinien im Land durch. Seither krempelt der begabte Vermittler Äthiopien um, präsentierte ein geschlechterparitätisches Parlament, versucht gegen den Widerstand der alten Garde eine sanfte wirtschaftliche wie demokratische Öffnung. Er holte tausende Oppositionelle aus dem Exil, schloss nach 20 Jahren De-facto-Krieg um den Grenzverlauf Frieden mit dem Nachbarn Eritrea.

Chance und Gefahr

Die Öffnung des Landes birgt aber Chance und Gefahr zugleich. Die Hoffnung ist, dass vom Vielvölkerstaat Äthiopien aus die Stabilität der gesamten Region verbessert wird. Die Lockerung des harten Griffs legt aber auch zahllose latente Spannungen offen, die rasch in Gewalt umschlagen. Auch sieht sich das Land derzeit mit stark angestiegenen Flüchtlingszahlen aus dem Nachbarland Eritrea konfrontiert.

Trotzdem beobachten die europäischen Geber und Investoren den Wandel und das Wirtschaftswachstum von sieben Prozent mit großem Interesse. Auch Abiy unterstrich am Donnerstag seine Kooperationsbereitschaft mit Europa. Zwar habe die EU zuletzt Afrika quasi ignoriert; an Kurz schätze er aber, dass er dies ändern wolle. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz setzen beide ihre Hoffnungen in stärkere Handelsbeziehungen, Investitionen und technischen Austausch. Und sie betonten die guten bilateralen Beziehungen. Äthiopien ist seit 1992 ein Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit.

Am Freitag besucht Kurz Ruanda. Die dreitägige Afrikareise des Kanzlers dient vor allem der Vorbereitung des für 18. Dezember in Wien geplanten EU-Afrika-Forums, das unter dem Motto "Innovation und Digitalisierung" steht. Äthiopiens Premier ist ebenfalls angekündigt. (Manuela Honsig-Erlenburg aus Addis Abeba, 6.12.2018)