Mithilfe des Exoskeletts und eines Therapeuten können Gelähmte wieder gehen.

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"Ich schaue dir das erste Mal wieder richtig in die Augen." Schilderungen wie diese kennt Siegfried Meryn, Internist an der Med-Uni Wien, von Patienten, die das sogenannte Exoskelett ausprobiert haben. Dabei handelt es sich um eine am Körper tragbare Maschine, die Menschen ermöglicht, aufrecht zu gehen, wenn sie selbst nicht dazu in der Lage sind.

Erstmals in Österreich wird nun an der Privatklinik Döbling eine ambulante Therapie mit Exoskelett angeboten. Gestartet wurde das Projekt von der Initiative Tech2People. Ihr Gründer Gregor Demblin ist Unternehmensberater und seit seinem 18. Lebensjahr selbst querschnittgelähmt. "Der Traum vom Gehen war für mich schon vorbei, bis ich das erste Mal ein Exoskelett gesehen habe", erzählt er. Schon beim ersten Versuch konnte er damit auf Anhieb 450 Schritte gehen. "Dieses Gefühl kann man kaum beschreiben. Mir sind die Tränen gekommen", sagt er. Durch das Training fühle er sich fitter, gesünder, motivierter und kreativer. "Es hat mein Leben verändert und erhöht die Lebensqualität", betont er.

Gregor Demblin präsentiert die Therapie mit dem Exoskelett (Quelle: Tech2People).
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Von den gesundheitlichen Auswirkungen kann auch Meryn berichten. Das Wohlbefinden dieser Menschen, die sich in einer sehr schweren Lebenssituation befinden, steige durch die Therapie deutlich an. "Endlich müssen sie nicht mehr zu ihren Mitmenschen 'hinaufschauen', sondern sind wieder auf Augenhöhe", erzählt der Internist.

Positive Effekte

Hinzu kommen die körperlichen Vorteile der Therapie. "Betroffene können sämtliche Tätigkeiten nur sitzend oder liegend durchführen. So kommt es bereits im Alter von 30 oder 40 Jahren zu einem Verlust der Knochendichte und folglich zu Osteoporose", so Meryn. Herz-Kreislauf-Tätigkeiten, Stoffwechsel, Gefäßveränderungen, Atmung, Muskelkraft, Gleichgewicht und Sexualfunktion werden durch das Gehen dramatisch verbessert. "Es gibt nichts, was nicht besser wird. Es gibt keine Nebenwirkungen", so Meryn.

Daher sollte die Therapie nicht nur einmal im Monat, sondern so oft wie möglich stattfinden. "Deshalb darf sie auch nicht elitär, sondern leistbar sein", fordert der Mediziner. Apropos: 90 Euro soll eine Trainingseinheit mit dem Exoskelett kosten, Patienten müssen selbst bezahlen. Eigentlich liegen die Kosten allerdings bei 230 Euro pro Einheit. Um die ermäßigte Gebühr für zwei Jahre zu finanzieren, braucht die Initiative insgesamt 300.000 Euro. Etwas mehr als die Hälfte habe man schon gesammelt, sagt Demblin. Das Projekt wird staatlich und von diversen Sponsoren unterstützt. Demnächst startet ein Crowdfunding. Gespräche mit den Krankenkassen über eine Kostenübernahme laufen.

Für sie könnte das Training interessant sein, da möglicherweise auch Schlaganfallpatienten davon profitieren, zu lernen, wieder gehen zu können. "Somit gibt es um die 100.000 Österreicher, für die die Methode infrage kommt", sagt Demblin. Die Chancen seien mit dem Exoskelett höher als durch herkömmliche Therapien, dass die Nerven sich wieder regenerieren.

Sich groß fühlen

Wie das Training abläuft, erzählt und zeigt Maximilian Pölzl. Er nimmt am Therapieprogramm teil und sagt: "Bei anderen Therapien wird nur ein Teil der Muskeln trainiert, beim Exoskelett ist es der ganze Körper gleichzeitig." Pölzl konnte nach sechs Jahren im Rollstuhl zum ersten Mal wieder aufstehen, mit Mama und Onkel wieder auf Augenhöhe sprechen. "Jede Therapie ist eine Verbesserung von Kraft und Ausdauer. Aber auch der Psyche: endlich mal aufstehen können und sich so groß fühlen, wie man ist."

Bei der Präsentation der Exoskelett-Therapie war der Medienandrang groß. Maximilian Pölzl und ein Therapeut zeigen, wie das Gehen für Gelähmte funktioniert.
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Ein Therapeut stützt während des Trainings von hinten und hilft, das Gleichgewicht zu halten. Derzeit können Patienten noch nicht ohne fremde Hilfe gehen. Für Demblin ist das aber nur mehr eine Frage der Zeit. "In absehbarer Zukunft werden die Geräte selbstständiges Gehen ermöglichen, viel kleiner und unter der Kleidung zu tragen sein."

Dann werde auch die Produktion in die Breite gehen, dadurch würden auch die Anschaffungskosten für Exoskelette sinken, ist Demblin zuversichtlich. "Eines Tages will ich auf einen Berg wandern, mich am Gipfel umdrehen und sagen: 'Hier bin ich allein heraufgekommen.'" (Bernadette Redl, 8.12.2018)