Österreichs Kanzler Sebastian Kurz bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Ruandas Präsident Paul Kagame. Am 18. Dezember besucht Kagame im Rahmen des EU-Afrika-Forums Wien.

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Paul Kagame im August 2017 bei seiner Inauguration.

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Es ist der obligatorische Termin für jeden Staatsbesuch: das Genozid-Memorial in der ruandischen Hauptstadt Kigali. Als "berührend und sehr verstörend" beschrieb Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz seine Eindrücke. Aus der eigenen Geschichten wüsste man, wie wichtig es sei, nicht zu vergessen.

In Ruanda sind die Ereignisse des Jahres 1994 noch immer allgegenwärtig. Im April 1994 gipfelten der Bürgerkrieg und die Hasspropaganda der Hutu-Mehrheit gegen die Volksgruppe der Tutsi in Ruanda in einem beispiellosen Morden. Bis Juli wurden 800.000 Menschen systematisch getötet, fast zwei Drittel der Tutsi-Minderheit. Die Täter waren staatliche Kräfte und Milizen, aber auch Teile der Hutu-Zivilbevölkerung beteiligten sich.

Aufarbeitung und Versöhnungskurs

Obwohl bereits Monate vor dem Völkermord Uno-Blauhelme im Land stationiert waren, konnten oder wollten sie diese Geschehnisse nicht verhindern. Eine Untersuchungskommission machte fünf Jahre später Uno und Sicherheitsrat mitverantwortlich. Der internationale Strafgerichtshof für Ruanda erhob Anklage gegen 93 Personen. 61 Täter wurden schuldig gesprochen. Auch im Land selbst gab es punktuell Prozesse vor Laiengerichten (Gacaca).

Das Genozid-Memorial hoch über der Stadt wird zwar hauptsächlich von ausländischen Gästen besucht, aber auch die Ruander nutzen die Gedenkstätte. Die Regierung ist bemüht, Aufarbeitung voranzutreiben, und fährt seit fast zwanzig Jahren einen aktiven Versöhnungskurs. Die Unterscheidung zwischen Hutu und Tutsi, die ihre Wurzeln in der Kolonialzeit hat, wird offiziell längst nicht mehr gemacht.

Das Trauma des Genozids schwelt aber nach wie vor unter der Oberfläche. Das Leben von Opfern und Tätern Tür an Tür ist nicht so friktionsfrei, wie es die Regierung gern hätte. Immer wieder kommt es zu Gewaltausbrüchen entlang der Bruchlinien.

Belastende Geschichte

Auch die Rolle von Paul Kagame und dessen Milizen in der Niederschlagung der Hutu-Gewalt wird wohl unaufgearbeitet bleiben. Seit seinem Amtsantritt 2000 gilt er als Garant für den Frieden im Land, das er despotisch und mit harter Hand regiert. Vor einem Jahr erst hat er sich nach einer Verfassungsänderung zum dritten Mal zum Präsidenten wählen lassen. Mit 99 Prozent der Stimmen.

Zwei Oppositionskandidaten durften antreten, weiteren wurde die Kandidatur nicht erlaubt. Erst am Donnerstag wurde Diane Rwigara, eine der bekanntesten Kritikerinnen Kagames, vom Vorwurf der Anstiftung zum Sturz der Regierung und der Fälschung von Wahlunterlagen freigesprochen. Sie hatte Stimmen für eine Präsidentschaftskandidatur gesammelt. Das Oberste Gericht urteilte jetzt, dass es keine ausreichenden Beweise für die Anschuldigungen gäbe, dass die Listen gefälscht gewesen seien.

Erleichterung von Investitionen

Die Demokratiedefizite und die bedenkliche Menschenrechtslage im Land sprach Bundeskanzler Sebastian Kurz zwar am Rande an, das eigentliche Thema das Besuches war allerdings die Vorbereitung des EU-Afrika-Forums zur Vertiefung der Wirtschaftskooperationen in Wien, zu dem Kurz als EU-Ratsvorsitzender und Kagame als derzeitiger Vorsitzender der Afrikanischen Union gemeinsam laden. Bereits in Kigali kündigte Kurz an, dass die Österreichische Entwicklungsbank Investitionsprojekte heimischer Unternehmen in Afrika verstärkt finanziell und mit Ausfallshaftungen durch eine Erhöhung des Kreditportfolios und einen Investitionsgarantiefonds unterstützen wird.

Noch stammen 17 Prozent des ruandischen Staatsbudgets aus Entwicklungszusammenarbeit. Seit einem Uno-Bericht über die aggressive Außenpolitik Kagames aus dem 2012 hat sich das Verhältnis zwischen den Gebern und Ruanda allerdings etwas abgekühlt. Der Bericht liefert Beweise dafür, dass Ruanda die Rebellengruppe M23 im Nachbarland Demokratische Republik Kongo unterstützt hatte.

Kritik an Europa

Kagame steht Entwicklungszusammenarbeit nicht nur positiv gegenüber. Sie habe Afrika nicht per se vorangebracht, moniert er regelmäßig. Auch auf der Pressekonferenz mit Kurz betonte er die Bedeutung von wirtschaftlichen Investments.

Die europäische Flüchtlings- und Migrationspolitik kritisierte er. Der Kontinent habe in der Vergangenheit für eine lange Zeit andere eingeladen zu kommen. So sei der Eindruck entstanden, "was für ein Problem auch immer du hast, ganz egal, welches es auch ist, komm zu uns", so der Präsident. Afrikanische Regierungen müssen ihrer Bevölkerung aber auch "klarmachen, dass es besser ist, im eigenen Land zu bleiben", merkte Kagame an. Nachhaltige Investitionen würden unweigerlich zu positiven Effekten in Afrika führen, das auch verstärkt Eigenverantwortung übernehmen müsste.

Wirtschaftsbeziehungen zu Afrika

Das kleine Ruanda in der Größe von Kärnten und der Steiermark gilt jedenfalls als interessanter Markt. Laut dem "Ibrahim Index of African Governance" finden ausländische Investoren dort sogar die besten Bedingungen in Afrika vor. Auch im "Doing Business"-Ranking der Weltbank führt Ruanda auf Platz 41 von 190 die afrikanischen Länder an (Österreich findet sich in diesem Index auf Platz 22). Beim EU-Afrika-Forum in Wien finden auch über 1.000 geladene Firmen aus der Europäischen Union die Gelegenheit, Kontakte für potenzielle Projekte auf dem afrikanischen Kontinent zu knüpfen.

Eines der politischen Gesprächsthemen wird in diesen Tagen wohl auch der ausstehende Nachfolgevertrag für das Cotonou-Abkommen der EU mit Afrika sein müssen, eine wichtige Basis für wirtschaftliche Kooperation. Der Vertrag, in dem unter anderem die wirtschaftlichen Beziehungen der EU zu Afrika geregelt sind, läuft 2020 aus. (Manuela Honsig-Erlenburg, 7.12.2018)

Die Reise kam mit teilweiser Unterstützung des Bundeskanzleramts zustande.