Die 4.900 Jahre alten Überreste einer etwa 20-jährigen Toten lassen vermuten, dass die neolithische Bevölkerung Europas von einer Pestepidemie heimgesucht worden ist.

Foto: Karl-Göran Sjögren / University of Gothenburg

Als im 14. Jahrhundert die Pest Europa heimsuchte, raffte die Seuche annähernd ein Drittel der Bevölkerung des Kontinents dahin. Mittlerweile weiß man, dass der dafür verantwortliche Erreger, Yersinia pestis, in dieser Region nicht das erste Mal derart radikal wütete. Bereits im sechsten und siebten Jahrhundert sorgte die Pest nicht nur im Mittelmeerraum für eine Pandemie, die annähernd apokalyptische Ausmaße annahm.

Aber auch diese sogenannte Justinianische Pest war offenbar nicht die erste Begegnung der europäischen Bevölkerung mit Yersinia pestis. Eine DNA-Studie vom November 2017 kam zu dem Schluss, dass der Erreger bereits am Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit in Europa präsent gewesen sein dürfte. Nun haben Forscher in den Gebeinen aus einer Grabstätte im heutigen Schweden eine Bestätigung dafür gefunden. Wie sich zeigte, hat eine genetisch sehr ursprüngliche Form des Bakteriums vor über 5.000 Jahren in Europa zahlreiche Todesopfer gefordert – womöglich sogar mit weitreichenden Folgen.

Unerwartet frühe Pestepidemie

"Die Pest geht wahrscheinlich auf einen der tödlichsten Erreger in der Geschichte der Menschheit zurück", sagt Simon Rasmussen von der Universität Kopenhagen. Der Genetiker und seine Kollegen identifizierten das Bakterium nun in den Überresten einer zum Zeitpunkt ihres Todes vor 4.900 Jahren rund 20-jährigen Frau in Nordeuropa. Die Umstände ihres frühen Ablebens sprechen nach der im Fachjournal "Cell" veröffentlichten Studie dafür, dass sich die Seuche tatsächlich schon im Neolithikum über Europa ausgebreitet hat.

Sollte dies der Fall gewesen sein, könnte es dabei helfen, das rätselhafte Verschwinden früher europäischer Bauern zu klären. Diese Bevölkerungsgruppe, die vor rund 9.000 Jahren begann, aus dem Nahen Osten nach Europa einzuwandern und sich als die heute bekannten Cucuteni-Kultur zu etablierte, verschwand praktisch über Nacht vor 5.400 Jahren.

Rätselhafter Bevölkerungsaustausch

Der Ausbau ihrer Siedlungen stoppte abrupt und letztlich bewiesen auch frühere genetische Untersuchungen ihr plötzliches Verschwinden. In weiterer Folge kam es, so belegen es die Erbgutanalysen, zu einem drastischen Bevölkerungsaustausch durch Menschen aus den zentralasiatischen Steppen, der vor etwa 4.500 Jahren mehr oder weniger abgeschlossen war. Was also hat der Cucuteni-Kultur davor dermaßen zugesetzt?

Rasmussen und seine Kollegen sind davon überzeugt, dass Yersinia pestis für den dramatischen Bevölkerungsschwund der Cucuteni-Kultur verantwortlich war. "Wir glauben, dass unsere Befunde das erklären würden", meinen die Forscher. Die Analysen der Erbanlagen sprechen dafür, dass der nun identifizierte Peststamm sich von einem noch ursprünglicheren Stamm vor 5.700 Jahren abgespalten hat und vor dieser Migrationswelle mutierte.

Die im nun vorliegenden Pestfall nachgewiesene genetische Veränderung dürfte Yersinia pestis nach Ansicht der Wissenschafter sehr gefährlich gemacht haben und letztlich zu einer Epidemie geführt haben, die vor mehr als 4.900 Jahren wohl zahlreiche europäische Siedlungen entvölkerte. Hinzu kommt, dass damals die ersten bevölkerungsreichen Großsiedlungen mit bis zu 20.000 Einwohnern entstanden sind, was es der Ausbreitung der Pest umso leichter gemacht hat. Wahrscheinlich kam der Erreger dann über frühe Handelsrouten auch zu kleineren Ansiedlungen, wie etwa jene, in der die junge Schwedin gelebt hatte. (tberg, 11.12.2018)