Technologische Veränderung hat viele Gesichter, wie Userin Cornelia Zobl herausfand.

Foto: Technisches Museum Wien

Neue Produktionstechniken, wie der 3D-Drucker, sind ein Vorgeschmack auf die Zukunft der Arbeit.

Foto: Technisches Museum Wien

Ein interessantes Gedankenexperiment: Was, wenn die Roboter streiken?

Cornelia Zobl

"Arbeit & Produktion. weiter_gedacht" ist eine Ausstellung, die vieles anspricht und sich dabei möglichst nicht positionieren möchte. Die Darstellung von Veränderung des gesellschaftlichen Lebens durch und mit technischen Artefakten ist letztlich jedenfalls eine der Aufgaben des Technischen Museums. Die Kuratorinnen setzen dabei auf ein klassisches Ausstellungsdisplay. Auf analogen Texttafeln und Fotowänden werden historische Technologien zeitgenössischen gegenüberstellt. Dies erscheint für ein Museum, das eben nicht nur kurze zeitliche Ausschnitte, sondern vielmehr lange historische Zeitabläufe und zudem (analoge) technische Artefakte im Blick hat, durchaus konsequent.

Die Relativität des digitalen Zeitalters

Das digitale Zeitalter wird häufig als konkretes historisches Ereignis in einer technologisierten Gesellschaft dargestellt. Richtet man hingegen, wie die Kuratorinnen vorschlagen, den Blick auf die Geschichte der Entwicklungslinien von technischen Artefakten und den Bedingungen von Arbeit und Produktion, so verliert sich diese Eindeutigkeit. Beim Flanieren durch die Ausstellungsfläche erscheint es nicht länger klar, was mit der Digitalisierung überhaupt gemeint ist und wann die oft angesprochene digitale Revolution überhaupt begonnen hat. Die Antworten sind ebenso variantenreich, wie die spezifischen und dargestellten Formen von Digitalisierung.

Digitalität als Verlagerung menschlicher und maschineller Produktivität

Vergleicht man Berufe in ihrer geschichtlichen Entwicklung, so scheinen sich diese durch die heute dominierende Arbeit am Computer immer weiter anzugleichen. Zeigt sich beim Beruf der Schmiedin mittlerweile ein Zusammenspiel von Handwerk und digitalem Medium (zumindest im Kontext des Kunsthandwerks), so ersetzt die Buchdruckerin ihr Handwerk bereits vollständig durch die Arbeit am Computer. Aus einer Produzentin wird eine Software-Anwenderin. Die Produktion wird dabei ausgelagert.

Digitalisierung als Verschränkung aller Lebensbereiche und wissenschaftlichen Disziplinen

Die Digitalisierung beeinflusst Produktionsabläufe, Materialien und deren Gewinnung. 3D-Drucker machen aufwendige Verfahren zur Produktion von spezifischen Bauteilen hinfällig. Ganze Arbeitsschritte fallen weg. Formen und Aufbau von technischen Artefakten können komplexer werden und der Gestaltungsspielrahmen vergrößert sich enorm. Zudem ermöglicht die technologiebasierte Forschung die Herstellung von optimierten Materialien und neuartigen Gewinnungsprozessen.

Digitalisierung als neue Herausforderung der "Sozialität" von Maschinen

Auch Maschinen verändern sich im Kontext der Digitalisierung. Wurden diese früher nur benutzt, um einfache Arbeiten durchzuführen, können moderne Maschinen komplexe Aufgaben wie die Pflege von Patienten übernehmen. Die Digitalisierung, so könnte man im Anschluss an die Ausstellung folgern, macht Maschinen quasi zu Akteuren im täglichen Leben. Anekdoten über "gemobbte" Maschinen, die womöglich in Zukunft ob der vielen Arbeit zum Streik ausrufen, verstärken dieses Bild.

Die Kritik am digitalen Zeitalter, die keine sein möchte

Unter der Perspektive der Digitalisierung zeigt sich die gesellschaftliche Transformation lediglich mit einem anderen Gesicht, wie die Ausstellung zu verstehen gibt. Die Kuratorinnen skizzieren dabei vorwiegend ein utopisches Bild von Digitalisierungsprozessen. Besucher werden mit ihrem vermeintlichen Vorwissen um problematische gesellschaftliche Transformationen durch die digitale Revolution allein gelassen. Die Rolle der Arbeitenden in der digitalisierten Arbeitswelt bleibt mit dem Blick auf Arbeitsplatz, Informationsverarbeitung, Materialität und Maschinen weitgehend außen vor.

Jeder ist Ingenieur seines Lebens

Ein besonderes Ausstellungstück im Stiegenhaus des Technischen Museums, das nicht direkt mit der Thematik zu tun hat, öffnet den Blick für eine Kritik am digitalen Zeitalter. Die im 18. Jahrhundert gebaute "Allesschreibende Wundermaschine" zur Unterhaltung von Kaiser Franz I, zeigt Technologie und ihre Entwicklung jenseits ihrer ökonomischen Verwertbarkeit. Es handelt sich bei dieser Maschine um einen Automaten, der durch eine ausgeklügelte Mechanik angeblich selbstständig Worte niederschreiben kann. Die Freude am "Wunder Technik" erscheint hier vorrangig.

Einen ähnlichen Zugang zur Technik soll auch das "techLAB" im Kontext der Ausstellung aufmachen. Ausgestattet mit zeitgemäßer Technologie sollen sich hier alle angesprochen fühlen, die Welt durch und mit Technologie selbst zu gestalten. Das digitale Zeitalter, so könnte man auch folgern, macht durch die Reduktion von Produktionsabläufen auf Softwareanwendungen jeden zum potentiellen Ingenieur seiner Lebenswelt. Gedacht als utopischer Höhepunkt einer Ausstellung zur Digitalisierung, stellt sich für die Besucher die Frage, ob es sich hier nicht (auch) um eine Dystopie handeln könnte? Wird der Mensch durch komplexe Maschinen aus der Arbeitswelt und somit als ökonomischer Akteur verwiesen, bleibt womöglich nur noch der solidarisch genutzte Raum, um sich zumindest im Privaten zukünftig noch produktiv fühlen zu können? (Cornelia Zobl, 13.12.2018)