In der Volksschule in Aschach/Steyr leiden die Taferlklassler nie wieder unter einem verzerrten Erdmagentfeld. Die Schule ist die erste Volksschule in Österreich, die "Harmonizer Comfort" installiert hat. Die Teile sehen ein wenig aus wie Gelsenstecker und sollen nicht nur das "Raumklima verbessern" und "Feinstaub verringern", sondern auch "negative Belastungen von niederfrequenten und hochfrequenten Feldern (...) WLAN-Belastungen, geopathische Störzonen, Belastungen aus Kunststoff, Erdmagnetfeld-Verzerrungen durch Stahlbetongitter und Stahlbetonträgern harmonisieren." Der Elternverein, ein Arzt, der sich auf seiner Webseite als "Quantenmediziner" bezeichnet und der Hersteller selbst haben zusammengelegt, damit die Volksschule Aschach energetisch richtig brummt. Die derzeitige Direktorin Rosina Wührer war in die Anschaffung nicht involviert und scheint nicht sonderlich glücklich: Die Harmonizer seien von einer ehemaligen, "sehr engagierten Kollegin" angeregt worden. Bemerken tue sie von den Geräten nichts. 

5.000 Euro für die Harmomisierung einer Schule

Harmonisierung hat ihren Preis, aber das Geld ist gut angelegt in einer Schule. 5.000 Euro hat ein Geschäftsmann als Harmoniemäzen springen lassen, um die NMS Mittersill mit "Harmonizern"  zu beglücken. Wer die Webseite des Herstellers Symbioceutical Harmonizer mit Sitz in Grödig besucht, wird zunächst zum Anklicken eines Disclaimers angehalten: "Wir weisen darauf hin, dass die hier vorgestellte Technologie noch nicht mit der überwiegenden schulwissenschaftlichen Auffassung und Lehrmeinung übereinstimmt." Aber das wird schon noch!

Erst nach einem mutigen Klick auf den "Wir pfeifen eh auf die Fakten"-Button gelangt man nicht nur in die schöne neue Produktwelt der Harmonizer, sondern auch zu spektakulären Ansätzen rund um das Thema Nummer Eins: die Quantenphysik. Das Symbioceutical-Konzept wird recht schlüssig erklärt. "Die Quantenphysik geht davon aus, dass der so genannte 'leere Raum' zwischen den Atomen nicht leer sondern mit Energie gefüllt ist. Diese Energie ist in schwingender Bewegung und besitzt eine informations- und energiebehaftete Dimension". 

Gegen Strahlen aller Art werden die Schulen geschützt.
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Nur die Stadtratssitzung war nicht ganz harmonisch

In Mittersill wurde sogar die Stadtpolitik in Schwingung versetzt. Im Frühjahr mussten sich die Stadträte in der Pinzgauer Kommune mit den Harmonisierungschips auseinandersetzen, mit denen in der Schule die Wlan-Router und die mobilen Geräte ausgestattet werden sollten. Das Protokoll der Stadtratssitzung vom 7. Mai vermerkt, die Chips sollten das Raumklima verbessern, wobei nicht die "Feldstärke der Belastungen, sondern der negative Informationsgehalt verändert wird." Hier zitiert das Protokoll artig und 1:1 die Webseite des Herstellers. 

Die Physiklehrer waren skeptisch

Seit Sommer ist die Schule harmonisch optimiert. Immerhin: Das Protokoll vermerkt, dass die Physiklehrer dem Projekt ablehnend gegenüberstünden. Die Ehre der Schule vermochten die schulwissenschaftlich Spaßbefreiten nicht zu retten. Die Harmonie in der Stadtregierung trübt nur die Tatsache, dass sich je ein Stadtrat der ÖVP und der SPÖ gegen die Beglückung der Schule mit den Harmoniechips ausgesprochen haben. Trotzdem: Eine Mehrheit für die Harmonizer fand sich. Der Bürgermeister Mittersills, Wolfgang Viertler, legt laut Protokoll Wert darauf: Die Schule darf vom Hersteller nicht als Referenzmodell angeführt werden, das Unternehmen darf in der Schule keine Werbung machen, der Stadt dürfen keine Kosten entstehen. Auf Anfrage teilt er mit: Eltern seien mit dem Anliegen auf die Stadtregierung zugekommen, dort sei man zur Auffassung gelangt, "dass nicht feststellbar ist, ob das Gerät funktioniert – oder eben nicht – und das eher eine Glaubensfrage darstellt."

Harmonizer to go hilft gegen Chemtrails und Kampfstoffe

Die Grödiger Unternehmen beantwortet die offenen Glaubensfragen recht umfangreich. Für jedermann und unterwegs ist zum Beispiel der "Harmonizer To Go" erhältlich. Das magische Schächtelchen passt in jede Hosentasche und ist "das optimale biophysikalische Schutzschild für die Belastungen (...) wie Nanopartikel, Squalene, Chemtrails, Nagalase in Impfstoffen, Glyphosat und andere Kampfstoffe." 

Auch im Gymnasium Seekirchen in Salzburg sorgen Harmonizer für die richtigen Vibes. Ein Vertreter des Harmonizer-Herstellers freut sich, die Schule als Referenz nennen zu dürfen. In der Schule hätte es zuvor ob "der Funktechnologie" ein hohes Aggressionspotenzial ergeben, nach der Installation der technologischen Wundertüten habe sich das "sehr positiv verändert." Das Gymnasium Seekirchen wurde erst vor Kurzem von Minister Heinz Faßmann mit dem 3. Platz beim "Staatspreis für Schule und Unterricht" ausgezeichnet. Das Gymnasium sei "eine Pionierschule in vielen Bereichen" – unter anderem beim E-Learning. Ob die Harmonizer mit ihren quantenpysikalischen Frequenzen die Jury der Staatspreisverleiher in die richtige Stimmung versetzt haben? Von der Schule kommt trotz wiederholter Anfragen zu dem einer "Neuen Physik" zurechenbaren Projekt keine Stellungnahme.

Auch Austria Wien und Mattersburg vertrauen drauf  

Die Grödiger Harmonieschmiede hat abgesehen von Schulen auch illustre Referenzen: Der Fotolöwe Hartlauer, das Salzburger Landessportzentrum und die Fußballvereine Austria Wien und SV Mattersburg. Ein Blick auf die aktuelle Tabelle der Bundesliga lässt erahnen: Da ist bei den Harmonizerrn offenbar vergessen worden, die Akkus aufzuladen.

Was man sich wünschen darf im Fall der Schulen, denen die Harmonizer förmlich aufgedrängt wurden: Einfach mal ein klares und selbstbewusstes Nein, das nehmen wir nicht einmal geschenkt, mit dem Hinweis vielleicht: Eine Schule lehrt Wissen und vermittelt Bildung, sie ist weder ein Schamanen-Camp noch eine Versuchsanstalt für Vodoo-Technologie. (Christian Kreil, 17.12.2018)

Leuchtende Augen-Faktor: ★☆☆☆☆

Umtauschgefahr-Faktor: ★★★☆☆

Den Beschenkten verärgern-Faktor: ★★★★★ 

Bereits geöffnete Türchen des Adventkalenders