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In Europas Stromwirtschaft sind Frauen anno 2018 noch immer rar.

Foto: dpa / Jan Woitas

Ende des Jahres, wenn APG-Chefin Ulrike Baumgartner-Gabitzer abtritt, gibt es noch eine weniger.

APG

Sie ist eine der ganz wenigen Frauen, die es an die Spitze eines Stromunternehmens geschafft haben: Ulrike Baumgartner-Gabitzer. Nach 26 Jahren an unterschiedlichen Schalthebeln in der Elektrizitätswirtschaft tritt die ausgebildete Juristin, die zwischendurch für die ÖVP im Nationalrat saß, Ende des Jahres ab.

STANDARD: Ist Ihnen das mit dem Strom passiert?

Baumgartner-Gabitzer: Ein Zufall. Ich war im Büro vom damaligen Wirtschaftsminister Robert Graf bereits für den Energiebereich – die damalige Verbund-Teilprivatisierung – tätig und habe dann als Kabinettschefin von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel erfahren, dass die Position des Generalsekretärs, damals noch Geschäftsführer des Interessenverbands der Energiewirtschaft, frei wird. Ich habe mich beworben, das war mein Einstieg in die Branche.

STANDARD: Warum sind Frauen so dünn gesät in der Strombranche?

Baumgartner-Gabitzer: Erstens muss man die Chance bekommen, die gibt es aber nicht oft. Die Branche ist sehr konservativ, sehr technikorientiert, und Frauen, die ein Technikstudium machen, gibt es noch immer wenige, was ich sehr schade finde. Und zweitens muss man auch Ja sagen, wenn es die Möglichkeit gibt.

STANDARD: Was müsste sich generell ändern, damit halbwegs eine Parität zwischen Männern und Frauen zustande kommt?

Baumgartner-Gabitzer: Wir sind als Branche sehr nahe an der öffentlichen Hand. Da sollte der Eigentümer darauf schauen und sagen, da möchte ich auch Frauen vorne haben. Die muss man finden und hinaufheben.

STANDARD: Durch die Liberalisierung ist die Branche aber ganz schön durchgerüttelt worden?

Baumgartner-Gabitzer: Die Liberalisierung war zweifellos ein Aufbruch. Das war mit großen Schwierigkeiten verbunden, hat der Branche letztlich aber gutgetan. Techniker erledigen, was zu tun ist, perfekt. Dann aber braucht es wieder ein Aufrütteln. Jetzt ist ganz intensiv der politische Wille da, die erneuerbaren Energien auszubauen, um den CO2-Ausstoß zu senken. Das ist die nächste große Herausforderung, die Erneuerbaren in das System zu integrieren.

STANDARD: Was waren im Rückblick die größten Herausforderungen für Sie im Strombereich?

Baumgartner-Gabitzer: Ganz am Beginn sicher die Akzeptanz der Branche. Die Kollegen sind mich prüfen gekommen. Gestandene, sehr nette Energiewirtschafter wollten wissen: Kann die das? Man hat mich als Geschäftsführerin des Verbands der Elektrizitätsunternehmen Österreichs aber sehr schnell akzeptiert. Meine Arbeit bestand aus viel Lobbying, da muss man Gesetze lesen, da war mein juristisches Wissen ein Vorteil. Die zweite, sehr schöne Herausforderung war, dass ich später im Verbund-Vorstand die Möglichkeit hatte, den Erneuerbaren-Sektor aufzubauen, Wie ich 2007 zum Verbund kam, gab es dort keine Erneuerbaren, außer Wasser. Da haben wir erstmals eine Strategie entwickelt, wohin es gehen soll.

STANDARD: Bremser gab es keine?

Baumgartner-Gabitzer: Sehr viele sogar. Begonnen habe ich noch unter Hans Haider (Verbund-Vorstandsvorsitzender von 1994 bis April 2004, Anm.), dann kam Michael Pistauer, der stand dem Thema sehr aufgeschlossen gegenüber. Auch der Aufsichtsrat hat die Erneuerbaren zwar kritisch gesehen, sie aber sehr unterstützt.

STANDARD: Im Vorjahr mussten Sie, sprich: die APG, an 301 von 365 Tagen eingreifen, um das Netz zu stabilisieren. Das verursachte Kosten von rund 300 Millionen Euro. Und heuer?

Baumgartner-Gabitzer: Wir gehen von einer ähnlichen Dimension aus, sowohl die Interventionen als auch die Kosten betreffend – es war ein schlechtes Wasser- und Windjahr.

STANDARD: Sie weisen seit längerem auf die immer schwieriger werdende Situation hin. Wieso bekommt man das nicht in den Griff?

Baumgartner-Gabitzer: Die Politik und auch viele Akteure in der Branche scheuen davor zurück, weil durch Regulierung wieder ein Teil des Marktes zurückgedrängt würde. Das will man nicht. Anfang Februar hat die EU-Kommission sechs Ländern erlaubt, Kapazitätsmechanismen einzuführen – sprich: Kraftwerksbetreibern für das Vorhalten von Kraftwerksleistung etwas zu zahlen. Österreich ist diesen Weg nie gegangen. Wir wollen daher, dass man das auf klare rechtliche Beine stellt.

STANDARD: Mit der kleinen Änderung im Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz können Sie nun mehrjährige Verträge mit Kraftwerksbetreibern abschließen. Hilft das?

Baumgartner-Gabitzer: Ein bisschen. Ich weise seit 2014 auf dieses Thema hin. Wir haben versucht, ein möglichst marktnahes Modell zu machen, mit flexiblen Elementen. Steigt der Marktpreis, fällt das Kraftwerk raus aus der Vorhalteleistung. Das gilt für die nächsten drei Jahre. Damit haben wir etwas Zeit gewonnen.

STANDARD: Mit Fertigstellung der Salzburg-Leitung wird die Versorgungssicherheit besser?

Baumgartner-Gabitzer: Ganz sicher.

STANDARD: Trauen Sie sich eine Prognose zu, bis wann die Leitung in Betrieb gehen kann?

Baumgartner-Gabitzer: Nein. Die Causa liegt seit 16 Monaten beim Bundesverwaltungsgericht. Im Juli 2017 hatten wir die mündliche Verhandlung. Seither ist Stillstand. (Günther Strobl, 10.12.2018)