Wien – Am Wiener Landesgericht hat am Dienstag ein erster Prozess rund um eine kriminelle Organisation stattgefunden, die in Ostösterreich sieben Cannabis-Plantagen und einen schwunghaften Suchtgifthandel betrieben haben soll. In die Causa ist auch eine Kanzlei-Mitarbeiterin eines prominenten Wiener Rechtsanwalts involviert. Sie wird von der Staatsanwaltschaft Wien als Beschuldigte geführt.

Bei der gegenständlichen Gruppierung, deren führende Vertreter im vergangenen April festgenommen wurden, soll es sich um "ein Franchise-Unternehmen" der serbischen Mafia gehandelt haben, wie Staatsanwalt Martin Ortner darlegte. Die Bande, der die Polizei nach umfangreichen Ermittlungen auf die Schliche kam, betrieb Plantagen in Wien, Markt Piesting (Bezirk Wiener Neustadt-Land), Vösendorf (Bezirk Mödling) und Oberpullendorf (Bezirk Oberpullendorf).

120 Kilo Marihuana in Penzing

Als Anfang Juni in einem Gebäude in der Genossenschaftsstraße in Wien-Penzing eine Plantage ausgehoben wurde, konnten 120 Kilogramm abgepacktes Marihuana sichergestellt werden. Daneben wurden fünf Tonnen frische Erde, 40 Generatoren und eine Vielzahl an Beleuchtungskörpern beschlagnahmt – ein Indiz dafür, dass nach der eingefahrenen Ernte die Aufzucht neuer Pflanzen unmittelbar bevorstand. Am Ort des Geschehens wurde außerdem ein junger Serbe festgenommen, der wenige Wochen zuvor nach Österreich gekommen war. In seinem Besitz fanden sich 300 Gramm Cannabis – seiner Darstellung zufolge benötigte er die Menge zum Eigenbedarf. Der Verdächtige dürfte für untergeordnete Tätigkeiten angeheuert und über Ungarn nach Österreich gelotst worden sein.

Anklagepunkt Kriminelle Organisation

Nun wurde der Mann, der sich auf Anraten seines Verteidigers Christian Werner inhaltlich nicht zu den wider ihn erhobenen Vorwürfen äußerte, von Richter Johannes Varga wegen unerlaubten Besitzes von Suchtgift zu sieben Monaten Haft, davon zwei Monate unbedingt verurteilt. Vom zentralen Punkt der Anklage – der Beteiligung an einer kriminellen Organisation im Sinne des Paragrafen 278a StGB – wurde er aber freigesprochen, nachdem ihn zwei als Zeugen vernommene Kriminalisten als untergeordnetes Glied in der Banden-Hierarchie bezeichnet hatten. Für den Richter war nicht erwiesen, "dass er gewusst hat, dass er in eine kriminelle Organisation eingebunden war". Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Während der Verteidiger die Entscheidung akzeptierte, gab der Staatsanwalt vorerst keine Erklärung ab.

Mutmaßlicher Bandenboss in U-Haft

Zuvor hatte der Chefermittler der Polizei die Bande in seiner Einvernahme als "Top-Gruppierung in Österreich mit einem Riesenumsatz" bezeichnet, der jedenfalls 15 bis 20 Personen angehört hätten. Sie hätte äußerst professionell agiert, sei streng hierarchisch aufgebaut gewesen. Bei den Ermittlungen bedurfte es umfangreicher Telefon-Überwachungen, Observationen und des Einsatzes von Peilsendern. Der mutmaßliche Boss der Bande, der in der Justizanstalt Wien-Josefstadt in U-Haft sitzt, soll sich mit seinen Einkünften ein schönes Leben gemacht haben, indem er beispielsweise einen Ferrari fuhr.

Seit 15 Jahren soll eine enge Mitarbeiterin eines Wiener Promi-Anwalts mit dem angeblichen Kopf der Bande befreundet sein. Wie die 34-Jährige als Zeugin unter Wahrheitspflicht aussagte, habe sie den Mann nach dessen Inhaftierung von Juni bis September "fast täglich" im Halbgesperre besucht. Just in diesem Zeitraum hatte ihr Chef die anwaltliche Vertretung des mutmaßlichen Mafioso inne. Sie habe mit dem Häftling auch telefoniert, erklärte die Frau. Im Zuge von "Beschuldigtenbesuchen in der Justizanstalt", wie sie sich ausdrückte, wäre sie "zu Aktenwissen gekommen". Außerdem kursiere der Akt "in ganz Wien. Es gibt andere, die diesen Akt verteilen. Ich habe ihn auch in der Kanzlei gelesen", erläuterte die Mitarbeiterin des bekannten Anwalts.

Falsche Zeugenaussage

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, hatte der APA schon Anfang Oktober bestätigt, dass gegen die Frau ein eigenes Verfahren läuft wird. Es steht der Verdacht der Beteiligung an einer kriminellen Organisation sowie der versuchten Bestimmung zur falschen Zeugenaussage im Raum. Es wird vermutet, sie wäre nach der Festnahme ihres langjährigen Freundes und weiterer angeblich hochrangiger Mitglieder der Organisation nach Serbien gefahren, hätte dort Personen kontaktiert und versucht, diese dazu zu bringen, bei den Behörden in Wien inhaltlich unrichtige Aussagen zu tätigen. Die 34-Jährige – für sie gilt die Unschuldsvermutung – saß auch zwei Wochen in U-Haft und wurde danach vom Landesgericht für Strafsachen gegen gelindere Mittel enthaftet. (APA, 11.12.2018)