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Elvis Presley, hungrig.

Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

In den Reformjahren der Kreisky-Ära konnten sich selbst notorische Fortschrittsverweigerer der subversiven Kraft von Pop- und Rockmusik schwer entziehen. Da mochten ältere Mitbürger noch so sehr sittliche Einwände geltend machen. Ihre Missgunst verbargen sie hinter blickdichten Stützstrumpfhosen und schlammbraunen Joppen.

Ich war als Babyboomer ein gesunder Bub. In Rücksicht auf die Vorzüge der körperlichen Liebe hegte ich pauschale Vorstellungen. Die treuherzige Frage eines Beatle, warum seine Herzallerliebste es mit ihm nicht im Rinnstein treiben wolle, schien mir auch deshalb unbedenklich, weil ich sein Englisch nicht verstand.

Es schien überhaupt ein Geheimnis rund um die Popmusik zu walten. Meine Mutter, eine sonst jedem Überschwange abholde Person, zog in Augenblicken höchster Bedrängnis durch Haushalt und Küche einen Packen Singles aus dem Intimbereich ihres Einbaukastens. Bei näherer Betrachtung handelte es sich um die in Vinyl gepressten Bekenntnisse von Elvis Presley, einem Lastwagenfahrer aus Tennessee. Ein offenbar angeborenes Leiden verdonnerte diesen Mann zu Zuckungen in Hüfthöhe.

Gesegneter Appetit

Mein Vater verlachte Elvis, als der im Fernsehen auftrat und von Hawaii aus der Menschheit einen gesegneten Appetit wünschte. Weil ich als Kind ein starker Esser war, nötigte mir Elvis’ kolportierter Bärenhunger – Bananensandwiches mit Speck und Erdnussbutter – einen Heidenrespekt ab. Irgendwann starb Elvis, meine Mutter bekam kurz feuchte Augen, wusch dann aber weiter das von mir und meinem Vater benutzte Geschirr ab.

Ich war in der Zwischenzeit da zu übergegangen, meine Umwelt mit Musik von Kiss (benutzten Feuerwehrsirenen!) zu beschallen. Vater und Mutter schränkten daraufhin den Umgang mit mir spürbar ein. Ich bildete mit den Münzen meines Taschengeldes niedrige Türme.

Ich fasste den Erwerb begehrter Langspielplatten ins Auge, aber jedes Album kostete 163 Schilling. Es gab noch keine Strömungsdienste im Netz. Das Geschirr in der Abwasch meiner Mutter schepperte mit dem Schlagzeug von "Bonzo" Bonham (Led Zeppelin) bedrohlich um die Wette. (Ronald Pohl, 12.12.2018)