Die Engländerin Lisa Ashton ist vierfache Weltmeisterin.

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Dartsprofi Jan Dekker war nach der Auslosung bedient. "Es wird richtig schwer. Es ist ein Spiel, bei dem ich eigentlich nur verlieren kann", sagte der Niederländer. Zum Auftakt der Darts-WM am Donnerstag erwischte er Lisa Ashton als Erstrundengegnerin, eine von zwei Frauen, für die erstmals Startplätze beim Saisonhöhepunkt im berühmten Alexandra Palace in London reserviert wurden.

Frauen kommen in der testosterondurchtränkten Dartsszene bisher praktisch nicht vor – zumindest vor der Scheibe. Die nicht selten bierseligen männlichen Fans, die im legendären "Ally Pally" Jahr für Jahr meist unter ihresgleichen eine gigantische WM-Party feiern, dürften die pfeilewerfenden Frauen bestenfalls als willkommenen Farbtupfer wahrnehmen – schlimmstenfalls als unverschämte, die Traditionen missachtende Provokation.

Denn das bisher stumpfe Frauenbild im Dartssport soll sich wandeln. Erst wurden zu Jahresbeginn die "Walk-on-Girls", die die Spieler in meist eher kurzen Röcken durch die Zuschauermassen zur Bühne begleiteten, abgeschafft. Jetzt stehen Frauen, die auf der bekannteren und lukrativeren Tour der Professional Darts Corporation (PDC) bisher keine Rolle spielten, auf der Teilnehmerliste.

Sieben WM-Titel

Die Engländerin Ashton und die Russin Anastassija Dobromyslowa schnappten sich ihre Startberechtigung bei Qualifikationsturnieren. Beide gehören in der Frauenszene seit Jahren zur Weltspitze: Die amtierende Weltmeisterin Ashton (48) gewann vier WM-Titel der British Darts Organisation (BDO), Dobromyslowa (34) drei.

Die Russin stand bei der PDC-WM 2009 sogar schon einmal auf der großen Bühne im "Ally Pally". Dort schied sie zwar direkt in der Vorrunde aus, triumphierte aber später beim Grand Slam of Darts über Vincent van der Voort, der sich deswegen auch zehn Jahre später noch Frotzeleien seiner Kollegen anhören muss. "Wir leben in sich verändernden Zeiten", sagte Barry Hearn dem "Daily Telegraph". Der Schirmherr der WM gilt eigentlich selbst als Typ der alten Schule. Er machte die PDC-Tour groß, kreierte mit der WM einen Party-Event mit Bierlaune. Männer – vornehmlich tätowierte und eher vollschlanke – wie Legende Phil Taylor oder Michael Van Gerwen wurden dank Hearn zu Preisgeldmillionären.

Ambitionen

Auch der 46-jährige Wiener Mensur Suljovic hat heuer schon 440.000 Euro eingespielt. Er ist die Nummer sieben der Welt, trainierte zuletzt fünf Stunden pro Tag und strebt den erstmaligen Einzug ins Viertelfinale an. "Bei der WM erwartet man sich mehr, da kann sich wirklich jeder präsentieren. Zu Weihnachten hat jeder Zeit, Darts zu schauen. Da will, da muss man etwas erreichen. Und mit dem Druck muss man umgehen können, da gibt es leider eine Blockade bei mir im Kopf. Dieser Druck im Kopf macht mir Sorgen."

Von dem Geld, das ihre männlichen Konkurrenten verdienen, können Spielerinnen nur träumen. Als Weltmeisterin des kleineren Verbandes BDO durfte sich Ashton über 10.000 Pfund freuen. Bei der PDC wird allein der Erstrundensieg mit 15.000 Pfund belohnt.

Fehlende Sponsoren

Zwar ist Darts kein Sport, bei dem die Physis des Mannes ein Vorteil sein könnte. Doch wegen des geringen Interesses und der fehlenden Sponsoren gibt es für die Frauen kaum Möglichkeiten, Wettbewerbe auf dem Niveau der Männer zu absolvieren. Hearn sagt, er könne Frauen nur die gleichen Wettbewerbsbedingungen geben, die Leistung müssten sie selbst bringen. Van Gerwen traut den Frauen einiges zu. Jüngst prognostizierte er im niederländischen Fernsehen einen Zweitrundeneinzug von Dobromyslowa, die am Montag gegen den Briten Ryan Joyce antritt.

"Wir werden schon herausfinden, wie gut sie sind, manche können ja wirklich spielen", sagt der 70-jährige Hearn. Dass er die zwei Startplätze für Frauen freigegeben hat, ist nicht aus gutem Willen geschehen, glaubt Dobromyslowa. "Wer Barry kennt, der weiß, dass er das nicht einfach so und ohne guten Grund macht", sagte Dobromyslowa der "Welt am Sonntag". "Er nutzt die Bühne fürs Geschäft, möchte die Aufmerksamkeit auf uns lenken." (sid, red, 11.12.2018)