Carl Molls "Stiller Weiher" (1900) war seit Mitte der 1980er Jahre in der Sammlung Essl und wandert als Schenkung nun in den Bestand der Albertina. Einer von mehreren "Kandidaten", die nun der Provenienzforschung harren.

Foto: Scan, Ausstellungskatalog Belvedere 1998

Wien – Es ist zeitgenössische Kunst, die man reflexartig mit der Sammlung Essl verknüpft und die bekanntlich deren Schwerpunkt bildet. Doch bis in die 1990er-Jahre erwarb das Ehepaar auch Werke der frühen Moderne, etwa von Carl Moll oder Oskar Kokoschka.

STANDARD-Recherchen zufolge geht es um rund 160 Arbeiten, die teilweise deutlich vor 1938 datieren. Ob deren Provenienz je erforscht wurde? Eine aktuelle Anfrage an die Albertina blieb vorerst unbeantwortet. 40 Werke wandern als Schenkung der Familie Essl und 120 als Dauerleihgabe von Hans Peter Haselsteiner in ihren Bestand. Bis April 2017 gehörte zur Sammlung auch ein Gemäldefragment von Anton Kolig, dessen Geschichte die Kunsthistorikerin Alexandra Caruso im neuen Band der Kommission für Provenienzforschung (Böhlau) skizziert, der am Donnerstag im Bundeskanzleramt präsentiert wird.

Den auf Holz kaschierten Leinwandfetzen, der Teile eines männlichen Torsos zeigt, hatte Agnes Essl 1984 für 80.000 Schilling im Dorotheum ersteigert. Der Überlieferung nach soll ihr Ehemann darüber befremdet gewesen sein. Immerhin war das Fragment mit dem Monogramm "AK" für Anton Kolig signiert.

Übersiedlungsgut

Wie Koligs Enkel Cornelius und Otmar Rychlik, Autor des Kolig-Werkverzeichnisses, 2002 herausfanden, handelt es sich um ein Teilstück des Gemäldes Nachtwache (1912). Noch 1938 hing es unversehrt im Wohnzimmer der Familie Kantor. Kurz nach dem "Anschluss" war Siegfried Kantor, Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, von der Gestapo verhaftet worden. Nach seiner Freilassung floh die Familie zuerst nach Frankreich und später in die USA. Das bei einer Spedition eingelagerte Übersiedlungsgut und die Kunstsammlung wurden beschlagnahmt und ab 1941 veräußert. Die Suche nach den Kunstwerken verlief in den Nachkriegsjahren weitestgehend ergebnislos.

2002 informierte Cornelius Kolig Kantors Tochter Alice über seine Entdeckung. 2003 besichtigte sie das Fragment bei Essls und identifizierte es zweifelsfrei. "Was soll ich mit diesem kaputten Rest", das "interessiert mich nicht", lautete ihr Kommentar. Sie verstarb 2012. Für ihren Bruder Gideon Kantor überwog indes der ideelle Wert. Dem im November 2016 an die SE Sammlung Essl GmbH übermittelten Ersuchen um Rückstellung wurde im April 2017 entsprochen. Obwohl "das Restitutionsgesetz bekanntlich nicht für Privatsammlungen gilt", informierte Geschäftsführer Michael Gütlbauer in einer E-Mail.

Das ist korrekt und gilt auch weiterhin für Haselsteiners Dauerleihgaben. Anders verhält es sich jedoch mit den von der Familie Essl in Bundesbesitz übereigneten Werken. Sofern sich darunter in der NS-Zeit Entzogenes fände, müsste es restituiert werden. (kron, 11.12.2018)