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Premierministerin Theresa May will, dass Großbritannien in Zukunft nahe beim gemeinsamen Europa bleibt.

Foto: REUTERS/Francois Walschaerts

Es ist verständlich, wenn von den Präsidenten der wichtigsten EU-Institutionen über die deutsche Kanzlerin abwärts alle Unionsvertreter den britischen Partnern erklären, dass eine Nachverhandlung des Brexit-Deals nicht infrage komme. Das ist legitimer Teil der Gesamtstrategie.

Deren Prinzipien sind rasch umschrieben: Alles müsse klar und transparent kommuniziert werden – keine Tricks. Die EU-27 müssen einig auftreten, dürfen sich von jenen, die die Scheidung eingereicht haben, nicht auseinanderdividieren lassen. Beide Seiten müssten Konsequenzen fair tragen. Auf dieser Basis ist es gelungen, einen alles in allem sehr vernünftigen Deal zu machen. Die Vereinbarungen halten den Schaden für EU-Bürger dies- und jenseits des Ärmelkanals in Grenzen, sichern Bürgerrechte ab, geben der Wirtschaft auf beiden Seiten Rechtssicherheit – und genug Zeit.

So umstritten May in ihrem Land sein mag, zusätzlich muss man hervorheben: Die Premierministerin will, dass Großbritannien in Zukunft nahe beim gemeinsamen Europa bleibt.

Was wäre eine bessere Lösung? Mays schärfste Gegner sind politische Abenteurer, Rechtspopulisten, die für ihren Nationalismus viel riskieren – sogar einen Wirtschaftseinbruch ähnlich dem Jahr 2008, wie die Bank of England vorrechnete. Also noch mehr Last für die Ärmeren. Mit ihnen wäre kein Staat, kein vernünftiger Deal zu machen.

"No-Deal-Szenario"

Vom oppositionellen Labourchef Jeremy Corbyn ist diesbezüglich leider auch nichts Besseres zu erwarten: Er will um jeden Preis Premierminister werden. Das ist legitim. Aber Corbyn hat seit Wochen bewiesen, dass er selber nicht gegen den Brexit ist, anders als die Mehrheit seiner Partei. Er will an die Macht, auch um den Preis, dass sein Land ökonomisch an die Wand fährt, wenn ein geordneter Brexit scheitert und in nur noch drei Monaten das "No-Deal-Szenario", der ungeregelte Austritt, käme.

Dieses Szenario sollte auf jeden Fall vermieden werden. Darin sind sich fast alle EU-Regierungschefs und -Präsidenten mit May einig. Viele sind aber verärgert darüber, dass sie nun nicht "liefern" kann, den gemeinsamen Deal nicht durch das Unterhaus bringt. Die Sache Brexit hat die gemeinsame EU-Politik seit drei Jahren schwer belastet, die Krise der Union verschärft. Als wären Euro- und Griechenlandkrise, die Polarisierung beim Thema Migration nicht genug gewesen. Aber das ist passé, für eine Politik der Gefühle ist nicht die Zeit.

Daher müssen die EU-Spitzen eine Schlüsselentscheidung treffen: Das gemeinsame Europa muss aus dem Brexit-Wahnsinn dringend raus; Reformen und ein neuer Aufbruch sind überfällig. Dazu ist es nötig, den Brexit-Deal auf den letzten Metern gemeinsam so in eine Form zu bringen, dass er bei der Abstimmung im Unterhaus im Jänner eine Mehrheit finden kann. Die EU-27 müssen May also helfen. Sie ist nun nicht mehr Gegnerin, sondern Partnerin im Austrittstango.

Verträge nachzubessern ist keine Schande. In der Geschichte der Union ist das fast immer so gewesen, weil wichtige EU-Verträge bei der Ratifizierung im ersten Anlauf durchgefallen waren: etwa beim Maastricht-Vertrag 1992, zuletzt beim EU-Vertrag von Lissabon, der Irland Sonderregeln bescherte. Warum nicht beim Brexit-Vertrag? Die Alternative wäre der ungeregelte EU-Austritt oder eine Verschiebung des Brexits über die EU-Wahlen hinaus. Beides wäre nach heutigen Umständen eine gefährliche Drohung. (Thomas Mayer, 11.12.2018)