Bis 1991 stand in Fremantle ein Gefängnis. Heute ist der Kolossalbau bei Perth ein Touristenmagnet.

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Das Fremantle Prison ist heute Unesco-Weltkulturerbe.

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Wer ins Gefängnis von Fremantle kommt, begibt sich auf eine Zeitreise.

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Zu den bekanntesten Insassen gehörte Bon Scott, geboren in Schottland, aufgewachsen in Australien, extrovertierter Sänger der Rockband AC/DC.

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Die heutige Touristenattraktion war einst bei ihren Insassen für die Isolationshaft gefürchtet.

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Vor allem die Aborigines litten besonders unter den Haftbedingungen: Das Ordnungssystem der Ureinwohner hatte im Gefängnis keine Geltung mehr.

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Fremantle im Südwesten Australiens: Es riecht nach Fish and Chips. Die kleine Hafenstadt am Indischen Ozean liegt nur eine halbe Autostunde von Perth entfernt, der Hauptstadt des Bundesstaates Western Australia. In Freo, wie die 7.500 Einwohner ihren Ort nennen, gibt es vor allem Holzhäuser mit Schnitzereien, dazwischen viktorianische Gebäude.

Auf einer kleinen Anhöhe steht das älteste Gebäude der Stadt und das bekannteste Gefängnis Australiens. Die heutige Touristenattraktion war einst bei ihren Insassen für die Isolationshaft gefürchtet. Mit ihren massiven, bis zu sechs Meter hohen Außenmauern aus Kalkstein dominiert die ehemalige Haftanstalt das Stadtbild.

Unterirdische Stollen

Im Inneren der Anlage mit eigener Krankenstation und Kapelle steht der vierstöckige Zellenblock – ein weißes, 145 Meter langgezogenes Gebäude. Altehrwürdig würde man diese Einrichtung nennen, wäre sie eine Universität. Vom viktorianischen Eingangsgebäude mit seinen beiden achteckigen, massiven Wehrtürmen und dem großen, eisernen Eingangstor in der Mitte geht es in den Innenbereich: einen vierstöckigen Zellentrakt mit geometrisch-horizontal angeordneten Schlitzfenstern.

Auch unterirdische Stollen gibt es zu sehen, die von den Verurteilten in den Sandstein gehauen wurden, um an das Süßwasser zu gelangen, das sich unter dem Gefängnis gesammelt hat. Die Gänge liegen 20 Meter tief unter der Strafanstalt. Mit Gummistiefeln, Overall, Rettungsweste, Helm und Grubenlampe steigen die Besucher hinab zur Tunneltour, die etwa zweieinhalb Stunden dauert.

Reise ohne Wiederkehr

Wer ins Gefängnis von Fremantle kommt, begibt sich auf eine Zeitreise. Während dieser Reise wird einem bewusst, dass Australien als Nation durch die Arbeit von Strafgefangenen entstanden ist. Die Wachmannschaften bestanden aus Kriegsveteranen des britischen Militärs und kamen zusammen mit den Sträflingen aus England nach Fremantle.

Die allermeisten blieben nach ihrer Dienstzeit in Australien und begannen ein Leben als Siedler. Eine Reise ohne Rückfahrschein nach Europa – sowohl für die Aufseher als auch für die rund 10.000 Häftlinge, die zwischen 1850 und 1868 nach Westaustralien deportiert wurden. Noch heute leben die Nachkommen mancher Wachleute und Gefangener in Fremantle und Umgebung. 1991 wurde das Gefängnis geschlossen und zu einem Museum des Bundesstaates Western Australia umgebaut. 2010 erhielt das Fremantle Prison von der Unesco den Titel Weltkulturerbe.

Strafarbeit

Die Besucher strömen in den Exekutionsraum und zum Peitschenblock. An Letzterem bekamen Gefangene mit nacktem Oberkörper sowie gefesselten Händen und Füßen Schläge mit einer mehrsträngigen Peitsche. Offene Wunden waren die Folge, die mit Salz desinfiziert wurden. Fiel ein Häftling dabei in Ohnmacht oder waren die Wunden zu tief, so unterbrach der anwesende Arzt die Bestrafung. Die Reststrafe wurde fällig, sobald der Sträfling wieder gesund war.

Die aus England verbannten Strafgefangenen waren nichts anderes als billige, überall einsetzbare Arbeitskräfte. Sie waren es, die das Land erschlossen haben – für die britischen Siedler, die Schwierigkeiten hatten, sich in der unwirtlichen Gegend eine Existenz aufzubauen. Die Sträflinge schufen mit ihrer Hände Arbeit praktisch die gesamte Infrastruktur Westaustraliens: Straßen, Brücken, Häfen, Leuchttürme, Schulen und Krankenhäuser.

Aborigines weggesperrt

Im Laufe von 136 Jahren saßen in Fremantle Männer und Frauen aus verschiedensten Schichten und Ländern ein: Sträflinge aus England, Kriminelle aus Australien, Kriegsgefangene, politische Gefangene, Serienmörder. Zu den bekanntesten Insassen gehörte Bon Scott, geboren in Schottland, aufgewachsen in Australien, extrovertierter Sänger der Rockband AC/DC. Er musste insgesamt einige Monate im Fremantle Prison einsitzen, weil er Benzin gestohlen hatte, aus der Polizeihaft geflüchtet war und mit einer Minderjährigen geschlafen hatte.

Überproportional zur Bevölkerungszahl wurden Aborigines weggesperrt. Die Ureinwohner Australiens behandelte man allein wegen ihrer Hautfarbe und ihrer ethnisch-sozialen Herkunft schlechter. Oft wurden sie nur eingesperrt, damit die englischen Siedler ihnen das Land rauben konnten.

Abstraktes Regelwerk

Und die Aborigines litten besonders unter den Haftbedingungen: Das Ordnungssystem der Ureinwohner hatte im Gefängnis keine Geltung mehr. Nicht der freie Lebensraum bestimmte, was richtig und falsch war, sondern ein abstraktes Regelwerk aus Erlaubtem und Verbotenem.

Museumsdirektor Luke Donegan ergänzt: "Viele dieser Leute hatten vor ihrer Zeit im Gefängnis noch nie einen Weißen gesehen, sie waren noch nie auf einem Stuhl gesessen und hatten nie mit Messer und Gabel gegessen. Auch westliche Kleidung war ihnen fremd." Das Gefängnis war für Aborigines eine traumatische Erfahrung, noch heute ist die Selbstmordrate unter strafgefangenen Ureinwohnern hoch. Bis 1964 wurden Aborigines und Weiße getrennt voneinander in australischen Gefängnissen eingesperrt.

Erst im Oktober 2015 anerkannte die australische Regierung mit der sogenannten Recognition Bill, dass das Volk der Noongar als der eigentliche Besitzer von Südwestaustralien inklusive Perth anzusehen sei. Eine symbolische Geste, sind doch im Jahr davor zwei Dritteln der 274 offiziell anerkannten Aborigines-Siedlungen in Westaustralien die Fördergelder gestrichen worden. (Michael Marek, RONDO, 14.12.2018)