Am Dienstagnachmittag (MEZ) folgte Google dem Drängen des US-Kongresses. Konzernchef Sundar Pichai stellte sich den Fragen der Abgeordneten des Justizausschusses. "Man müsse wissen, ob Google an der Seite der freien Welt steht", hieß es einleitend vor der Befragung zu den Themen Datenschutz, Wahlmanipulation, China und politischer Voreingenommenheit. Geleitet wurde sie vom Ausschussvorsitzenden Bob Goodlatte (Republikaner). Über drei Stunden dauerte die Anhörung, die einmal kurz von einer Plakataktion unterbrochen wurde.

Breite Themensetzung

Des Öfteren tauchte in der Vergangenheit der Vorwurf auf, dass Googles Suchalgorithmen nicht nur eigene Produkte bevorzugen, sondern auch konservative Stimmen benachteiligen würden. Das würde dem Vertrauen der Bevölkerung gegenüber dem IT-Riesen schaden und wäre schwerwiegender Machtmissbrauch, zumal in der westlichen Welt die große Mehrheit aller Suchanfragen über dessen Service gestellt wird. Zudem entwickelt Google mit Android das weltweit dominante Betriebssystem, das auf den meisten Geräten mit vorinstallierten Google-Diensten auf Smartphones und Tablets aufgespielt wird.

Thematisiert werden sollte auch der Umgang mit den vielen Informationen, die Google direkt und indirekt über seine Nutzer sammelt. Ebenso sollte Pichai dazu Stellung beziehen, wie Google die Verbreitung von Fake-News und die Einmischung in Wahlen durch Russland und andere Player über seine Plattformen verhindern wolle.

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"Breites politisches Spektrum" bei Google

Pichai erzählte über seine Kindheit in Indien, in der sich früh seine Faszination für Technologie entwickelte. Von dort führte ihn seine Karriere in die USA, wo er vor drei Jahren zum Google-CEO aufstieg. Das Unternehmen strebe nach dem Ziel, Informationstechnologie jedem verfügbar zu machen. Man sei dabei bestrebt, stets mit der Regierung zur Stärkung der Sicherheit zusammenzuarbeiten. Die Sicherheit und die Privatsphäre der User zu schützen sei dabei von zentraler Bedeutung.

Er selbst leite das Unternehmen ohne politische Voreingenommenheit, alles andere würde dem "Kern" der Unternehmenskultur zuwiderlaufen. Auch innerhalb von Google gebe es ein "breites Spektrum politischer Einstellungen".

Datenschutz

Gefragt, ob Android alle paar Minuten eine Reihe von Informationen über den Nutzer, inklusive Standort, an Google übermittle, verwies Pichai an die Privatsphäre-Einstellungen. Im eigenen Konto könne jeder Nutzer sehen, was über ihn gesammelt würde, und die Übermittlung einiger Daten abstellen. Zudem bemühe man sich, es Usern zu ermöglichen, stets Einblick in diese Daten nehmen zu können.

Dem Demokraten Steven Cohen versicherte er, dass Google bemüht sei, diese oft komplexen Privatsphäre-Einstellungen zu vereinfachen. Ob Google schnellen Telefonsupport für Privatuser anbieten werde, ließ er allerdings offen.

Wahlmanipulation und Hassrede

Dass es Unregelmäßigkeiten bei der Preisgestaltung für die Werbung politischer Wahlkandidaten aufgrund deren Einstellung gibt, bestreitet Pichai. Der Preis für Werbung über Google Ads basiere auf einer Art Auktionsprozess, entscheidend sei die gewählte Zielgruppe basierend auf Keywords und Region – nur anhand dessen könne es zu Preisunterschieden kommen.

2016 gab es auch über Google Ads und Youtube versuchte Einflussnahme aus Russland auf die Präsidentschaftswahl. Diese sei aber im Umfang sehr beschränkt gewesen. Man habe die eigenen Systeme mittlerweile verbessert und gehe stark gegen automatisierte Manipulation, sprich Social Bots, vor. Dazu nutze man Algorithmen, KI und auch manuelle Überprüfungen. Für letztere sei man dabei, das weltweite Team an "Reviewern" auf 10.000 Personen zu vergrößern.

Von den eigenen Plattformen lösche man nur "Hassrede", wobei deren Definition öffentlich sei. Zudem könnten auch "trusted flaggers", also Organisationen, die erhöhte Priorisierung beim Melden von Inhalten haben, auch nicht selbstständig entfernen.

Algorithmus nicht einfach manipulierbar

Dass es bei Googles Suchmaschine zu Beeinflussung zum Schaden konservativer Stimmen komme, wies Pichai zurück und kritisierte die vom Republikaner Lamar Smith zitierten Studien, etwa wegen zu geringer Samplegröße. Man evaluiere ständig die eigenen Suchalgorithmen, und zudem fühle man sich verpflichtet, allen Nutzern zu dienen, unabhängig von ihrer politischen Zuordnung.

Dem Vorschlag einer unabhängigen Untersuchung der Google-Suche auf politischen Bias durch eine unabhängige Organisation entgegnete er, dass solche Analysen bereits erfolgt sind und auch weiter durchgeführt werden. Einzelne Mitarbeiter hätten zudem auch nicht die Möglichkeit, den Algorithmus zu manipulieren. Änderungen könnten erst nach einem mehrstufigen Prozess, inklusive Review und Usertests, umgesetzt werden.

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Sundar Pichai stellte sich über mehrere Stunden den Fragen des Justizausschusses im Kongress.
Foto: Getty

Warum Trump bei der Suche nach "Idiot" auftaucht

Die Demokratin Zoe Lofgren fand bei einer Google-Bildersuche nach "Idiot" ein Foto von Donald Trump weit oben in den Ergebnissen. Dies liegt laut Pichai daran, dass diese Verbindung auf zahlreichen Webseiten hergestellt werde. Über 200 verschiedene Datenpunkte würde der Algorithmus in die Reihung einbeziehen.

Der Republikaner Steve Chabot verwies auf Suchergebnisse zum Gesetzesvorschlag, mit dem die Trump-Regierung Obamacare ersetzen wollte. Diese hätten vor allem liberale Stimmen bevorzugt und kaum positive Berichterstattung konservativer Plattformen gezeigt. Abermals verwies Pichai darauf, dass der Algorithmus Ergebnisse und Nachrichtenquellen nicht nach politischen Kriterien selektiere. Eine Erklärung, die er an diesem Nachmittag vielfach wiederholte. Pichai bot weiters an, zu einer anderen Gelegenheit mehr Einsichten in die Arbeit von Google zu gewähren.

Mitarbeiter-E-Mail bringt Pichai ins Trudeln

Wenig zu entgegnen hatte der Google-CEO zu einem Vorwurf gegenüber Eliana Murillo, Chefin für multikulturelles Marketing bei Google. In einer geleakten E-Mail vom Tag nach dem Wahlsieg von Donald Trump schrieb sie davon, "dass wir versucht haben, Latinos in den Schlüsselstaaten zu den Wahllokalen zu bekommen", wobei auch Fahrten bezahlt worden sein sollen. Pichai entgegnete dem nur, dass das Unternehmen politisch neutral agiere und eine Untersuchung keine Hinweise auf Fehlverhalten gefunden habe.

Auf weitere Nachfrage, ob seine Mitarbeiterin also gelogen habe, versprach er, weitere Informationen zur Angelegenheit zu liefern. In einer Stellungnahme im September, als die Mail publik wurde, hatte Google erklärt, dass Murillo in der Nachricht ihre politische Privatmeinung geäußert hatte, berichtete ABC.

Google bestreitet Benachteiligung der Konkurrenz

Etwas ins Schwimmen geriet Pichai auch bei der Abhandlung der Sicherheitslücken bei Google +, die letztlich zur Schließung des Social Networks für Privatnutzer im kommenden April geführt haben. Der Google-Chef erklärte zwar mehrmals, dass man um Sicherheit bemüht sei, musste aber letztlich eingestehen, dass Google die betroffenen Nutzer binnen 72 Stunden hätte informieren müssen. Tatsächlich dauerte es sieben Monate beziehungsweise drei Wochen, ehe man tatsächlich die Lecks eingestand.

"Weiß Google, dass ich mich gerade von dort drüben hierher bewegt habe?", fragte der republikanische Abgeordnete Ted Poe, während er sein iPhone in die Höhe hielt.
Foto: C-SPAN

Was den Umgang mit Nutzerdaten betrifft, stellte Pichai klar, dass gesammelte Nutzerdaten für die Verwertung im eigenen Werbeprogramm genutzt würden. Der Großteil der Informationen, die man für Werbung nutze, käme zudem aus den Keywords, die Nutzer selber in die Suche eingeben. Die Daten würden aber weder verkauft, noch erhalten Werber direkten Zugriff auf sie. Dass man in der Suche und anderen Services Konkurrenten benachteilige, bestritt Pichai. Man wolle Informationen zur Verfügung stellen, dem würde eine solche Praxis zuwiderlaufen.

Derzeit "keine Pläne" für China

Besorgnis wurde auch ob der Pläne Googles geäußert, wieder in China Fuß zu fassen, zumal das Land in den letzten Jahren die Internetzensur nochmals deutlich verstärkt hat. Gegenüber der Demokratin Sheila Jackson Lee sagte Pichai, dass man derzeit "keine Pläne" habe, eine Suchmaschine in China zu starten.

Man wolle hinsichtlich etwaiger Expansionspläne transparent vorgehen. Das Projekt Dragonfly, bei dem Google hinsichtlich einer zensurkonformen Suche experimentiert, sorgte in der jüngeren Vergangenheit auch für einigen Widerstand aus den Reihen der eigenen Angestellten. (gpi, 11.12.2018)