Dresden – Der Begriff der "kambrischen Explosion" liefert weiter Stoff für Diskussionen. Er wurde geprägt, weil im vor 541 Millionen Jahren begonnenen Zeitalter des Kambriums Vertreter aller heute noch existierenden Tierstämme auftauchten – wie aus dem Nichts, wie man ursprünglich noch dachte.

Diese Bild hat sich in der Zwischenzeit etwas relativiert: So waren im Zeitalter des Ediacariums, der Ära unmittelbar vor dem Kambrium, die Meere keineswegs leer, sondern bereits voller komplexer Lebewesen. Von denen sind aber wesentlich weniger Fossilien erhalten geblieben, weil sie noch keine harten Körperteile wie Panzer oder Zähne entwickelt hatten. Zudem gibt die sogenannte Ediacara-Fauna bis heute Rätsel auf, wie bzw. ob überhaupt sie mit den Tieren des Kambriums und der folgenden Zeitalter verwandt war.

Explosion 2.0

Deutsche Forscher sind nun zum Szenario einer Explosion der Artenvielfalt zurückgekehrt – und sie soll etwas später als gedacht stattgefunden haben, berichtet das Senckenberg-Forschungsinstitut. Die Forscher datierten die extreme Zunahme der Artenvielfalt nicht auf den offiziellen Beginn des Kambriums, sondern erst auf 538,8 Millionen Jahre vor unserer Zeit.

"Wir konnten nun ein exaktes Zeitfenster für den Start dieses Ereignisses festlegen", erklären Ulf Linnemann aus Dresden und seine Genfer Kollegen Maria Ovtcharova und Urs Schaltegger . "Die von uns durchgeführten Uran-Blei-Datierungen zeigen, dass sich die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten ab einem Startpunkt vor genau 538,8 Millionen Jahren entwickelte."

Zeitraffer

Und es soll sehr schnell gegangen sein: Der Übergang von der Ediacara-Fauna zu den vielgestaltigen kambrischen Lebensformen soll sich in weniger als 410.000 Jahren vollzogen haben – das wäre nur etwa doppelt so lange, wie der Homo sapiens in seiner heutigen Form existiert. "Das ist aus geologischer Sicht ein echter Sprint", so das Wissenschafterteam.

Als Erklärung für diese Evolution in extremem Zeitraffer führen die Forscher die klassische Hypothese vom "biologischen Wettrüsten" ins Feld: Neue Eigenschaften einer Tiergruppe trieben zum nächsten "adaptiven Durchbruch" bei einer anderen an. "Wenn die Organismen beispielsweise beweglicher wurden und sich räuberisch ernährten, mussten sich die bisher noch unbeweglicheren Tiere etwas zum Schutz 'einfallen lassen'. So könnten in kurzer Zeit Schalen oder Skelette entstanden sein", sagt Linnemann. (APA, red, 13. 12. 2018)