Beershewa – Kohle ist nichts anderes als Gestein aus Pflanzenresten. Der Prozess der Karbonisierung dauert unter natürlichen Umständen Millionen von Jahren. Da Kohle sich aber so gut als Brennstoff eignet, hat sich der Mensch seit jeher bemüht, den Prozess zu imitieren und vor allem wesentlich zu beschleunigen – früher durch die Herstellung von Holzkohle, heute von Hydrokohle.

Für die Hydrothermale Karbonisierung (HTC) muss Biomasse in Druckbehältern erhitzt werden. Eine ganz besondere Form von Biomasse haben nun israelische Forscher der Ben-Gurion Universität (BGU/Beerscheva) ins Visier genommen: menschlichen Kot. Ihre Studie präsentieren sie im "Journal of Cleaner Production".

Die HTC dauerte gerade einmal zwischen zehn Minuten und zwei Stunden, und die Energiebilanz des Verfahrens gibt den Forschern Hoffnung, dass die Technik Schule machen könnte: "In unserem Versuch ist drei- bis viermal so viel Energie entstanden, wie wir für die Herstellung der Kohle ursprünglich verwendet haben", berichtet Amit Gross. Für die Toilettenspülung und den Transport der Exkremente in Klärwerke werde derzeit sinnlos Energie verbraucht – und der Kohlenstoff der heruntergespülten Fäkalien bleibe weitgehend ungenutzt.

Hightech am stillen Ort

Gross und seine Kollegen träumen deshalb von einer effizienten Toilette: Ein eingebauter Druckbehälter könnte den Kot direkt in Kohle verwandeln. "Damit könnten wir die Treibhausgasemission verringern," sagte Gross. Denn bei dieser Form der Biokohle würde, anders als bei fossilen Brennstoffen, die Atmosphäre nicht zusätzlich mit CO2 belastet.

Zugleich würde die nachhaltige Sanitäranlage das Problem der Entsorgung von Fäkalien lösen. Laut WHO sterben jährlich 842.000 Menschen an den Folgen von Hygienemängeln, auch weil sie keinen Zugang zu sauberen Toiletten haben. "Bei unserem Verfahren werden Krankheitserreger im Kot abgetötet", sagt Gross, "eine Infektionsgefahr geht von der Kohle nicht mehr aus". Nur die Farbe der Briketts erinnert noch daran, woraus sie ursprünglich hergestellt worden sind. Am Geruch hingegen lässt es sich nicht mehr erkennen: Der ist leicht scharf und erinnert an Verbranntes.

Vom Klo in die Küche

In weiteren Studien wollen die Wissenschafter nun testen, wie sich die Briketts aus menschlichen Exkrementen beim Grillen verhalten. Das klingt auf den ersten Blick wenig appetitlich, ist aber im Grunde auch nichts komplett Neues: Wo es Kamele gibt, wird seit jeher Kameldung als Brennstoff verwendet – auch für Kochfeuer.

Goss' Team will nun prüfen, ob die während der Kohleherstellung entweichenden Gase bei der kommerziellen Nutzung ein Problem für die Umwelt sein könnten. "Wir wollen außerdem Salat mit dem nährstoffreichen Wasser, das als Nebenprodukt im Verfahren entsteht, gießen und so dessen Potenzial als Düngemittel untersuchen", sagte Gross' Kollegin Reut Yahav-Spitzer.

Ähnliche Verfahren

Die israelische Universität hat in der Vergangenheit bereits Geflügelkot in Kohle verwandelt, die 24 Prozent mehr Energie als herkömmliche Biokohle aufweist. Völlig neu ist der nun präsentierte Ansatz also nicht.

Studenten der Technischen Universität Berlin haben außerdem vor einigen Jahren ein Verfahren entwickelt, mit dem sie menschliche Fäkalien in Biokohle verwandeln und diese als Düngemittel nutzen können. Das Klärwerk der Stadt Lingen, das Schweizer Unternehmen AVA-CO2 sowie die Düsseldorfer Firma TerraNova Energy betreiben zudem Forschungsprojekte, um aus Klärschlamm Braunkohle herzustellen.

Skepsis

Ludwig Leible vom Karlsruher Institut für Technologie hat indes Zweifel, ob die Toiletten-Idee der Israelis in absehbarer Zeit markttauglich ist: "Die Technologie dahinter ist nicht simpel und gerade in Entwicklungsländern nur schwer umzusetzen." Der Agrarwissenschafter gibt außerdem zu bedenken, dass die Energie, die in der Kohle lagert, in elektrischen Strom oder Wärme umgewandelt werden müsse, was die Energiebilanz deutlich schmälern würde.

Außerhalb eines geschlossenen Toilettensystems sei Kohle, die aus menschlichem Kot hergestellt wird, zudem noch sehr teuer: "Die HTC-Kohle kostet etwa 600 bis 800 Euro pro Tonne – Steinkohle nur ein Zehntel davon." Für den Markt sei sie deshalb bisher wenig attraktiv. Er wolle die "visionäre" Idee "nicht kaputt reden", sagte Leible. Es sei allerdings noch ein weiter Weg. (red, APA, 13. 12. 2018)