Wien – Ein Buchstabe trennt Herrn H. namentlich von Herrn Hitler. Daher versuchte der 71-Jährige am 15. Mai den Polizisten in einer Inspektion auch kurzfristig zu erklären, er habe nicht "Heil Hitler", sondern "Heil H." auf der Straße gebrüllt, bevor er von den Beamten mit auf das Wachzimmer genommen worden ist. Der Erklärungsversuch erübrigte sich bald, da er danach wieder deutlich vernehmbar "Heil Hitler" rief, ehe er festgenommen wurde.

Vor einem Geschworenengericht unter Vorsitz von Georg Olschak muss sich der Pensionist nicht nur aufgrund dieses Vorfalls wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verantworten. Er soll bereits am Abend des 1. Mai in einer U-Bahn-Station zweimal "Sieg Heil!" geschrien und den rechten Arm gehoben haben. H. selbst beteuert, sich an keinen der Vorfälle erinnern zu können, da er betrunken gewesen sei.

Von der ÖVP zur FPÖ

"Wo stehen Sie denn politisch?", will der Vorsitzende zu Beginn wissen. "Am Anfang war ich bei der ÖVP, bei einem Jugendclub in Ottakring", erinnert sich der Angeklagte. "Ich habe mich aber auch mit den Jungen von der SPÖ immer gut verstanden. Dann ist es zu Turbulenzen gekommen, und seit 1980 bin ich bei der FPÖ."

In Kombination mit Alkohol würden bei ihm "die Pferde durchgehen", sagt er. So wurde er 2015 wegen Verhetzung verurteilt, nachdem er 2013 auf Facebook Türken, Juden und Muslime attackiert und beispielsweise gefordert hatte, "muslimische Gotteshäuser in Österreich niederzubrennen".

Der spezialpräventive Aspekt dieser Verurteilung scheint nicht gefruchtet zu haben, seine Anschauungen blieben dieselben. Am 1. Mai setzten sich ein Zeuge, dessen Frau und seine kleine Tochter in einen U1-Waggon, in dem auch Herr H. fuhr. Die Frau des Zeugen berührte dabei einen Dunkelhäutigen und entschuldigte sich dafür. H.s lautstarke Reaktion: "Man muss sich bei denen nicht entschuldigen, die gehören gar nicht nach Österreich!" Danach pöbelte er den Zeugen an, beim Aussteigen folgten Hitlergruß und "Sieg Heil!"-Rufe.

"Scheißkiberer!" und Drohung mit Jobverlust

Zwei Wochen später wurden vier uniformierte Polizisten auf den Angeklagten aufmerksam, als er direkt neben einer Polizeiinspektion die NS-Grußformeln schrie. "Hat der Angeklagte Sie als Polizisten erkannt?", fragt die Staatsanwältin einen der Beamten. "Natürlich", antwortet dieser Zeuge. "Woher wissen Sie das?" – "Weil er Scheißkiberer gesagt hat." Ein anderer Polizist erinnert sich auch, H. habe damit gedroht, "dass er den Herrn Kickl oder den Herrn Strache kennt und wir alle unseren Job los sein werden".

H. kann sich das alles nicht erklären. "Ich verstehe nicht, warum ich oft so verblödete Sachen sage", bekennt er kleinlaut. "Ich möchte das aus meinem Gehirn herausbringen", beteuert er, nüchtern ganz anders zu sein.

Einen Vollrausch, der ihn zurechnungsunfähig gemacht habe, könne H. an den beiden Tattagen nicht gehabt haben, schlussfolgert der medizinische Sachverständige Christian Reiter. Denn das Verhalten des alkoholabhängigen Angeklagten zeige, dass er wusste, wo er war und mit wem er es zu tun hatte. Seine Handlungen seien auch koordiniert und zielgerichtet gewesen.

"Blödes Reden, aber nicht strafbar"

Verteidigerin Sonja Scheed versucht dennoch einen Freispruch zu erreichen. Ihr Mandant habe betrunken Unsinn geredet, erklärt sie den Geschworenen: "Es ist ein blödes Reden, aber es ist nicht strafbar", sieht sie bei H. keine Nazi-Gesinnung.

Die Laienrichter sehen das anders. Das rechtskräftige Urteil: zwei Jahre bedingte Haft, die Weisung zu einer Alkoholentzugstherapie und Bewährungshilfe. (Michael Möseneder, 14.12.2018)