Die US-Autorin Helen Keller meint: "Sicherheit ist meist ein Irrglaube. Das Leben ist entweder ein großes Abenteuer oder nichts." Doch anscheinend hat niemand mehr Lust auf Abenteuer: Social Egg-Freezing, das Einfrieren der Eizellen, um sie später aufzutauen und künstlich zu befruchten, wenn ein Kind "passt", wird zunehmend gutgeheißen, obwohl es in Österreich nach wie vor verboten ist. (der STANDARD vom 30. November).

Diese Methode der Reproduktionsmedizin ist letztlich nur ein Symptom eines Sicherheits-, Planungs- und Machbarkeitsdenkens in allen Lebensbereichen. Bevor wir allerdings ein Loblied auf ein vermeintliches "Produkt einer egalitären und demokratischen Sicht der Familie" anstimmen, sollten Frauen wichtige Fakten in ihre Lebensplanung einbeziehen:

Es wäre klug, Social Egg-Freezing vor dem 30. Lebensjahr anzugehen, und nicht wie derzeit häufig erst ab 35 oder noch später. Die Eizellen altern, und die Fruchtbarkeit nimmt ab 35 ab, rasant ab 40. Zu bedenken ist auch, dass es sich bei der Entnahme von Eizellen und bei späterer künstlicher Befruchtung (IVF) um einen medizinischen Eingriff handelt. Eine gesunde Frau muss sich zunächst 14 Tage lang hochdosierte Hormone spritzen, damit zehn bis zwölf Eizellen reifen und anschließend "geerntet" werden können. Bei der Entnahme ist eine Narkose nötig, die wie bei Hormonen mit Nebenwirkungen und Risiken verbunden ist. Reproduktionsmediziner, die die Methode propagieren, verdienen gutes Geld damit: Erstgespräch und Entnahme kosten rund 3000 Euro, Lagerungskosten pro Jahr 200 Euro. Eine Behandlung im Rahmen der späteren IVF kostet 3000 Euro und mehr und birgt ebenfalls gesundheitliche Risiken: Bei Schwangerschaften ab 40 Jahren ist etwa die Frühgeburten-, Mehrlings-, Fehlbildungs- und Kaiserschnittrate deutlich erhöht. Ärzte registrieren eine Zunahme von Schwangerschaftsdiabetes und kardiologischen Problemen.

Wenn Joëlle Stolz meint, die Geburtenrate könnte sich durch das Einfrieren der Eizellen bei einer späteren IVF erhöhen, dann irrt sie. Weniger als zwei Prozent der von 2008 bis 2013 aufgetauten Eizellen hätten zu Lebendgeburten geführt, so der britische IVF-Pionier Robert Winston. Der irische Reproduktionsmediziner Edgar Mocanu betont, dass die Wissenschaft für die Wirksamkeit dieser Methode noch keine ausreichenden Daten zur Verfügung habe, das Verfahren werde überschätzt.

Probleme beim Auftauen

Eine 2015 im Journal of the American Medical Association publizierte Studie hält Beschädigungen im Auftauverfahren für den Grund der signifikant geringeren Fertilisationsrate eingefrorener Eizellen. Marc van den Bergh, Leiter des Fertilitätslabors am Schweizer Kantonsspital Baden, sagt: "Es ist nicht auszuschließen, dass die beigefügte Frostschutz lösung auskristallisiert und die Eizellen zerstört." Zudem weiß man noch nichts über mögliche Langzeitfolgen für die Kinder.

Stolz erhofft sich offenbar durch Social Egg-Freezing eine Gleichstellung von älteren Müttern und älteren Vätern. Doch welche Egalität wird tatsächlich erreicht? Wenn schon, dann jene von privilegierten Frauen mit privilegierten Männern. Die drängendere Gerechtigkeitsfrage für alle Frauen wäre aber gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, gleiche Aufteilung von Kinderbetreuung und Haushalt sowie der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen und Unterstützung von Eltern von uns allen. Anstatt also Frauen in ihren fruchtbaren Jahren Kinder zu ermöglichen, gibt man mit Social Egg-Freezing vor, einen gesellschaftlichen Missstand zu umschiffen, statt ihn zu beheben. Denn die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist kein individuelles Problem.

Turbokapitalistische Welt

Social Egg-Freezing passt herrlich in eine turbokapitalistische Welt, die verlangt, ständig verfügbar und einsatzbereit zu sein. Insofern sollte es einem als Feministin die Nackenhaare aufstellen, wenn internationale Konzerne wie Google und Facebook diese Methode ihren Mitarbeiterinnen anbieten. Dies als frauen- bzw. familienfreundliche Geste zu sehen, dafür bedarf es schon einer großen Naivität. Es steht natürlich jeder Feministin frei, ihre Hand dem Turbokapitalismus zu reichen, doch dabei von großer individueller Freiheit zu reden ist purer Hohn. Detail am Rande: Wenn Stolz meint, die katholische Kirche hätte zwar Vorbehalte gegen Social Egg-Freezing, sei aber nicht grundsätzlich dagegen, weil die Methode zu "Wunschkindern" führe, dann ist das nicht korrekt: Die katholische Kirche ist grundsätzlich gegen jede Form der künstlichen Befruchtung.

Irritierend ist auch, dass in einem weiteren STANDARD-Artikel vom 5. Dezember die in Österreich verbotene Methode der Leihmutterschaft als gleichrangig mit Adoption genannt wird. Leihmutterschaft bedeutet Kinderhandel, weil die Leihmutter zumeist den Großteil des Geldes erst dann bekommt, wenn sie ein Kind liefert. Die Adoption eines Kindes ist hingegen ein solidarischer Akt in einer absoluten Notsituation. (Eva Maria Bachinger, 13.12.2018)