Wie Glühwein wärmt: zuerst trinken, dann spazieren. 33 Minuten muss man gehen, um ein Tasse des Dickmachers zu verbrennen.

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Advent und Weihnachten heißt immer auch sündigen, und zwar kalorientechnisch. Glühwein, Vanillekipferl und Deftiges am Heiligen Abend sind für eine Idealfigur nicht gerade förderlich. Allein am Weihnachtstag kommen wir auf bis zu 6000 Kilokalorien, dreimal so viel wie die empfohlene Tagesmenge, haben Wissenschafterinnen der Universität Birmingham und Loughborough berechnet. "Im Schnitt nehmen Menschen über das Jahr gesehen ein halbes bis ein Kilogramm zu, der größte Anteil entfällt auf Weihnachten", schreiben Frances Mason und Amanda Daley im Fachmagazin British Medical Journal.

Eine Tasse Punsch hat etwa 350 Kilokalorien, zehn Vanillekipferl rund 500 Kilokalorien: So viel Energie wie eine moderate Hauptmahlzeit. "Studien haben gezeigt, dass das Gewicht, das sich während der Weihnachtsfeiertage anlegt, oft nicht mehr abgenommen wird. Innerhalb von zehn Jahren steigt so das Körpergewicht um fünf bis zehn Kilogramm", betonen die Autorinnen. Und genau das ist das langfristige Problem.

Festlicher Dickmacher

So haben etwa Wissenschafter der New Yorker Cornell University herausgefunden, dass die Deutschen zehn Tage nach Weihnachten am dicksten sind. Insgesamt analysierten die Forscher Datensätze von 3000 Probanden aus Deutschland, den USA und Japan. "In allen drei Ländern stieg das Gewicht der Teilnehmer innerhalb von zehn Tagen nach Weihnachten", schreiben die Wissenschafter im New England Journal of Medicine. Der Weihnachtsspeck der Deutschen war mit durchschnittlich 0,6 Prozent des Körpergewichts am massivsten. Die US-Teilnehmer legten im gleichen Zeitraum 0,4 Prozent ihrer Körpermasse zu, die Japaner 0,5 Prozent.

Doch es gibt einfache Tricks gegen den Dickmacher Weihnachten: In der "Winter Weight Watch Study" überprüften Frances Mason und Amanda Daley die Wirksamkeit von einfachen Handlungsempfehlungen, die der Völlerei entgegenwirken sollen. Für die Untersuchung wurden insgesamt 272 gesunde Probanden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Das Durchschnittsalter lag bei 44 Jahren, der Body-Mass-Index musste 20 oder mehr betragen, schwangere Frauen oder stillende Mütter durften nicht an der Studie teilnehmen. Zwischen November 2016 und Anfang Februar 2018 wurden die Probanden mehrmals gewogen und vermessen.

Den Glühwein weggehen

Genau die Hälfte der Studienteilnehmenden, die sogenannte Interventionsgruppe, erhielt detaillierte Informationen darüber, wie sie schlank durch die Advent- und Weihnachtszeit kommt. Dazu zählte etwa eine Liste, wie viel körperliche Aktivität nötig ist, um beliebte Kalorienbomben zu verbrennen. So müsse man etwa 21 Minuten laufen, damit das traditionelle Feiertagsgebäck "Mince Pie", eine zuckersüße Teigtasche (100 Gramm entsprechen knapp 300 Kilokalorien), nicht zu Körperfett umgewandelt wird. Eine kleine Tasse Glühwein kann mit einem 33-minütigen Spaziergang kompensiert werden.

Außerdem wurde die Interventionsgruppe gebeten, sich idealerweise jeden Tag, zumindest aber zweimal die Woche zu wiegen und das Gewicht schriftlich festzuhalten. Weitere Tipps waren: möglichst immer zur gleichen Zeit essen, 10.000 Schritte täglich machen, auf Snacks während des Fernsehens verzichten, langes Sitzen vermeiden und tagsüber jede Stunde für zehn Minuten aufstehen. Die Kontrollgruppe erhielt hingegen nur eine allgemeine Broschüre zu gesundem Lebensstil.

Ein halbes Kilo weniger

Das Ergebnis der Studie: Die Interventionsgruppe nahm im Schnitt 0,13 Kilogramm ab, während die Kontrollgruppe 0,37 Kilogramm mehr auf die Waage brachte. Der Unterschied lag demnach bei genau einem halben Kilo. Die Wissenschafterinnen schließen aus den Ergebnissen, dass sich die Probanden mithilfe der Empfehlungen und des regelmäßigen Wiegens eher disziplinieren konnten: "Der Effekt war zwar geringer als erwartet, dennoch zeigt sich, dass schon eine kurze Intervention über die Weihnachtszeit helfen kann, die Gewichtszunahmen zu verhindern."

Verbote bringen nichts

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen kürzlich auch Forscher aus Dänemark und Großbritannien, die in einer explorativen Studie herausfanden, dass Routinen wie regelmäßig Sport zu fixen Zeiten einplanen, einen groben Essensplan für die Woche anlegen und Einkaufslisten schreiben, nachhaltig beim Abnehmen helfen. Wer hingegen primär auf Verzicht setzt und kalorienreiche Lebensmittel rigoros aus seinem Speiseplan streicht, hat meist nur kurzfristig Erfolg. Das hält auf Dauer keiner durch, so das Fazit der Wissenschafter. Ganz ehrlich: Ohne Ernährungssünden wäre Weihnachten nur halb so schön. (Günther Brandstetter, 15.12.2018)