John J. Sullivan verhandelt in Wien mit einem russischen Geheimdienstbeamten.

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Karin Kneissls vieldiskutierter Knicks vor Wladimir Putin.

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STANDARD: Wie würden Sie die Beziehungen zwischen den USA und Österreich derzeit einschätzen?

Sullivan: Sie sind wunderbar. Ich bin sehr enthusiastisch, was das Verhältnis zur neuen österreichischen Bundesregierung anbelangt. Natürlich gibt es wie in allen bilateralen Beziehungen gelegentlich Unstimmigkeiten. Die haben wir auch mit Großbritannien oder Mexiko. Aber mit so langjährigen Partnern wie den Österreichern können wir offen darüber reden.

STANDARD: Was haben Sie sich gedacht, als Sie zum ersten Mal das Bild gesehen haben, auf dem Außenministerin Karin Kneissl einen Knicks vor dem russischen Präsidenten Wladimir Putin macht?

Sullivan: Es war ein sehr schönes Bild und ein sehr schöner Knicks. Es gibt auch unter Politikern persönliche Beziehungen. Präsident (Donald, Anm.) Trump hat sein Verhältnis zu Präsident Putin als gut beschrieben. Neben der persönlichen Ebene haben Staaten natürlich Interessen. Und uns verbinden langjährige und tiefgreifende gegenseitige Interessen mit Österreich, die nicht zu erschüttern sind.

STANDARD: Es gibt Stimmen, die behaupten, dass Österreich kein verlässliches Mitglied der westlichen Wertegemeinschaft mehr sei. Was denken Sie?

Sullivan: Ich bin nicht dieser Meinung. Wir teilen die gleichen Werte und das westliche Erbe. Natürlich gibt es Meinungsverschiedenheiten, über den Atomdeal mit dem Iran etwa oder Nord Stream 2. Das betrifft auch andere Partner in Europa. Trotzdem bleibt es eine starke Beziehung. Ich bin alt genug, um mich an die Kontroversen seinerzeit unter Präsident (Ronald, Anm.) Reagan zu erinnern. Die Streitigkeiten über die Stationierung von Raketen in Europa sind vergangen, die gemeinsamen Interessen dagegen hatten Bestand.

STANDARD: Werden wir demnächst einen hochrangigen Besuch aus Österreich in Washington sehen?

Sullivan: Der Kanzler ist ein junger, dynamischer Politiker. Ich wäre nicht überrascht, wenn er nach Washington kommt, sobald sein Kalender und der des Präsidenten es zulassen.

STANDARD: Sie haben Nord Stream 2 erwähnt. Österreich hat eine jahrzehntelange Partnerschaft mit Russland und Gazprom im Energiebereich. Warum ist es für die USA schwierig zu akzeptieren, dass die OMV nun eben auch in dem Pipeline-Konsortium in der Nordsee mitmacht?

Sullivan: Dabei dreht es sich nicht nur um Erdgas. Es geht auch um eine politische Frage: Wollen wir es Russland erlauben, die Ukraine aus dem Gastransportnetz herauszuschneiden? Das würde die Macht Russlands über die Ukraine, die ohnehin schon durch den bösartigen Einfluss Russlands in Osteuropa und auf der Krim unter Druck steht, noch verstärken. Es geht um die gewaltsame Verschiebung von Grenzen in Europa, die wir nicht anerkennen können. Kein Land, das sich der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der freiheitlichen Ordnung verpflichtet fühlt, kann tun, was die Russen auf der Krim getan haben.

STANDARD: Die österreichische Wirtschaft stöhnt unter den Sanktionen gegen Russland, die oft als nicht effektiv beschrieben werden, weil sie Putin keinen Einhalt gebieten.

Sullivan: Man muss einen langen Atem haben, um die gewaltsamen Veränderungen aufzuhalten, die Russland Europa aufzwingen will. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, Kompromisse einzugehen oder den Sanktionsdruck zu verringern. Wir müssen standhaft gegen den böswilligen Einfluss Moskaus bleiben, der ganz Osteuropa unter Stress setzt. Und wir müssen für die bewährte Nachkriegsordnung eintreten, die Europa Frieden und Prosperität für Generationen gesichert hat.

STANDARD: Gibt es derzeit Gespräche mit Moskau?

Sullivan: Auch wenn unsere Beziehungen zu den Russen sich seit 2014 deutlich verschlechtert haben, gibt es ein nichtreduzierbares Minimum an Zusammenarbeit vor allem im Bereich der Antiterrorkooperation. Die beiden Präsidenten haben sich auf diese Zusammenarbeit geeinigt, Botschafter (John, Anm.) Bolton hat nachgearbeitet, und wir haben diese Woche in Wien die Gespräche weitergeführt. In diesem Bereich gibt es gemeinsame Interessen. Niemand will Menschen durch die Hand von Terroristen sterben sehen – weder in Moskau noch in Wien noch in den USA.

STANDARD: In einer CNN-Umfrage kam zuletzt heraus, dass mehr Österreicher eine gute Meinung von Russland haben als von den USA. Verwundert Sie das?

Sullivan: Ich kann die öffentliche Meinung in Österreich nicht kommentieren. Klar ist aber, dass die Russen sehr hart an ihren Desinformationskampagnen arbeiten. Das haben wir in unserem Land bei den Wahlen 2016 gesehen und zuletzt bei den Midterms. Die Russen diskreditieren uns und unsere Werte, die wir seit Jahrzehnten mit den Österreichern teilen.

STANDARD: Haben die Russen nicht vor allem deswegen leichtes Spiel, weil im Westen keine Einigkeit mehr in zentralen politischen Fragen besteht?

Sullivan: Da bin ich anderer Meinung. Nehmen Sie zum Beispiel die Nowitschok-Anschläge in England, wo Russland jede bisher gültige Konvention missachtet hat. Die Reise zweier Geheimagenten nach Salisbury damit zu begründen, dass diese immer schon die dortige Kathedrale sehen wollten, war grotesk und schamlos. Aber die Nato ist zusammengestanden, die USA, England und andere Partner haben Diplomaten ausgewiesen.

STANDARD: Österreich hat nicht mitgemacht.

Sullivan: Mag sein, aber sie haben doch eben einen russischen Spion hier in Österreich enttarnt. Das Problem betrifft uns alle gemeinsam. Russland legt sich keinerlei Zurückhaltung mehr auf. Ich hoffe, dass die Antwort auf diesen groben Bruch internationalen Rechts in Moskau Wirkung zeigt.

STANDARD: Ist der Druck wirklich so stark? Ist die Trump-Regierung nicht zu milde zu Moskau, weil die Russen bei der Wahl des Präsidenten mitgemischt haben?

Sullivan: Wir haben massive Sanktionen wegen der Wahlbeeinflussung, wegen des Gebrauchs chemischer Waffen, wegen der Ukraine erlassen. Die US-Antwort auf diese Vorfälle ist resolut. Diese Regierung tritt da nicht in den Hintergrund. (Christoph Prantner, 14.12.2018)