Peter Klien geht mit seinen Fragen dorthin, wo es wehtut – hier beim Parteitag der SPÖ.

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Wien – "Gute Nacht Österreich" wünscht Satiriker Peter Klien mit einer eigenen Late-Night-Show ab Herbst 2019 in ORF 1. Das Format soll dienstags nicht als Konkurrenz zu "Willkommen Österreich" laufen, sondern als Info- und Politsatire mit investigativem Kern konzipiert werden. Bei der Pilotfolge war die Rechercheplattform "Dossier" dabei. Gespräche über ein Engagement laufen, heißt es. Produziert wird die Show von Talk TV (Barbara Karlich Show). Klien wollte das Interview aus zeitlichen Gründen nur schriftlich führen.

STANDARD: Durch Ihren Bekanntheitsgrad hat sich die Art Ihrer Arbeit verändert. Sie gehen nicht mehr als "normaler" ORF-Reporter durch, der Politikern Fragen stellt. Tut es Ihnen leid, dass Sie diese alte Rolle abstreifen und in eine neue schlüpfen mussten?

Klien: Natürlich tut mir das leid, weil es einfach außergewöhnliche Freude bereitet, wenn man mit ganz ernstem Gesicht die unmöglichsten Fragen stellt und sich dabei auch noch so benimmt, als wäre es das Normalste der Welt. Um denselben Effekt erleben zu können, müsste ich jetzt in einen anderen Kulturkreis gehen. In die Schweiz zum Beispiel. Dafür sind in Österreich nun ganz neue Dinge möglich. Dass mich jemand erkennt und vor mir flüchtet. Lustig. Oder dass es jemand vor laufender Kamera mit mir aufnehmen möchte. Auch lustig. Mit anderen Worten: Einerseits tut es mir leid, andererseits ergeben sich ganz neue Chancen; auch neue Farben des Humors. Beim letzten Beitrag (SPÖ-Bundesparteitag) hat man das, finde ich, recht schön sehen können.

Peter Klien

STANDARD: Sebastian Kurz – oder eigentlich generell Regierungsmitglieder möchten sich nicht gerne von Ihnen interviewen lassen. Warum? Und haben Sie noch Hoffnung, dass es einmal mit Kurz klappt?

Klien: Wer in einer Regierung ist, muss sich staatstragend benehmen. Das ist mit mir nicht immer einfach. Bei Herrn Kurz geht es vor allem darum, dass er um jeden Preis vermeiden will, die Kontrolle über die Inszenierung aus der Hand zu geben. Die ÖVP möchte bis in die Details alles kontrollieren: Texte, Fotos, Videos. Das ist aus ihrer Sicht auch legitim. Und scheint ja, wenn man sich die Meinungsumfragen anschaut, auch nicht schlecht zu funktionieren. Trotzdem gibt es bei vielen Leuten großes Interesse an der Frage: Wie ist Herr Kurz abseits der Inszenierung? Wie verhält er sich auf einer spontanen und menschlichen Ebene? Die Hoffnung, dass er sich mir stellen wird, ist freilich gering. Zu groß ist hier die Angst der ÖVP. Vielleicht ist Kurz rhetorisch nicht so stark, wie viele glauben? In jedem Fall hält er sich offensichtlich nicht für schlagfertig.

Salvas gesunder Menschenverstand

STANDARD: Bereuen Sie Fragen, die Sie gestellt haben? Kritik und den Vorwurf des Sexismus gab es etwa, nachdem Sie Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischnig gefragt hatten, ob nicht alles besser gelaufen wäre, wenn sie als Schülerin Herbert Kickl geküsst hätte.

Klien: Ich bereue eigentlich keine Frage. Immerhin muss jede Frage zwei Prüfungen durchlaufen: Ich kann sie, wenn sie mir zu hart erscheint, im Interview zurückhalten. Und dann kann ich sie immer noch im Schnitt eliminieren. In seltenen Fällen ist es mir auf einer persönlichen Ebene auch schwer gefallen, die Passage im Film zu lassen – in erster Linie dann, wenn der Adressat nicht prominent war. Die angesprochene Frage an Eva Glawischnig hat mir hingegen keine Sorgen bereitet. Die war schon allein deswegen nicht sexistisch, weil ich sie ja in genau derselben Form später auch Herbert Kickl gestellt habe.

STANDARD: Welche Politikerin und welcher Politiker hat Sie bis jetzt in puncto Humor und Schlagfertigkeit am meisten überrascht?

Klien: Johanna Mikl-Leitner. Die kannte ich ganz anders aus den Nachrichten. Dass ein Michael Häupl schlagfertig sein kann, war ja eher wenig überraschend. Aber die schmallippige Innenministerin, die in Spielfeld für die Festung Europa getrommelt hat?

Peter Klien.
Foto: APA/Gindl

STANDARD: Ab Herbst bekommen Sie im ORF eine eigene Late-Night-Show. Was dürfen sich die Zuseher erwarten?

Klien: Wir wollen Infosatire machen, Politsatire. Im angloamerikanischen Raum gibt es dafür einen passenden Terminus: News Comedy. In einer Art Nachrichtenstudio werden auf satirische Weise die aktuellen politischen Neuigkeiten besprochen. Es wird aber auch Elemente klassischer Late-Night-Shows geben, mit eher spielerischer Note.

STANDARD: Bekommen Sie einen Sidekick, oder machen Sie alles in Eigenregie?

Klien: Auf jeden Fall soll nicht die ganze Zeit nur mein Gesicht zu sehen sein. Wie wir das genau lösen wollen, ist aber noch nicht geklärt – es könnte Gastexperten geben, Korrespondenten oder Zuspielervideos.

STANDARD: Welchen Gast möchten Sie unbedingt einmal in der Sendung haben?

Klien: Nachdem es keine klassische Late-Night-Show (wie zum Beispiel "The Tonight Show") werden soll, wird es auch keine Talkgäste geben. Der Unterschied zu "Willkommen Österreich" wird schon von der Konzeption her groß sein.

STANDARD: Sie könnten den Zweitverwerter spielen und einfach Gäste von "Willkommen Österreich" übernehmen. Ist das eine Option?

Klien: Aus den genannten Gründen: leider nein.

STANDARD: Gibt es Vorbilder für Ihre Show?

Klien: Auf jeden Fall die US-amerikanischen Late Night Shows: "Last Week Tonight", "The Late Show", "The Daily Show". Stephen Colbert macht einen großartigen Stand-up. Trevor Noah und früher Jon Stewart liefern pointierte Analysen. Und John Oliver hat wunderbare Erklärstrecken. Da kann man überall etwas lernen.

STANDARD: Harald Schmidt hat das Genre viele Jahre geprägt, jetzt ist Jan Böhmermann am Ruder. Kann man sich von denen was abschauen? Wenn ja, was?

Klien: Seit ich das erste Mal die Harald Schmidt Show gesehen habe, hab ich gedacht: Das muss das Schönste sein, was man im Leben machen kann. Besonders beeindruckt haben mich immer seine bösen Bemerkungen, die aus der Hüfte kamen, dabei intellektuell anspruchsvoll waren und doch auf eine sonderbare Weise auch charmant. Aber natürlich kann man auch von Böhmermann was lernen: Dass man sich nicht davon entmutigen lassen muss, wenn in den ersten fünf Minuten der Sendung kein guter Witz dabei war.

STANDARD: Was halten Sie von der "Heute-Show" im ZDF?

Klien: Eine sehr gute und über die Jahre wunderbar eigenständig gewordene Kopie der "Daily Show". Schau ich mir gerne an – auch wenn nicht alles dort dem österreichischen Humor entspricht.

STANDARD: Nicht wenige Late-Night-Shows verschreiben sich zwar der Satire, haben aber durchaus einen aufklärerischen, investigativen Kern. Wie wird das bei Ihnen?

Klien: Unbedingt ganz genau so.

STANDARD: Welche Politiker haben sich bereits bei Ihnen beschwert?

Klien: Dass sie nicht drankommen – oder wie meinen Sie? Im Ernst: Bei mir hat sich noch nie jemand beschwert. Vielleicht beim Generaldirektor. Bei mir noch nie.

STANDARD: Bekommen Sie noch Akkreditierungen für Parteitage?

Klien: Ja, Gott sei Dank. Die Politik besitzt offenbar doch um einiges mehr Humor, als man ihr zutrauen möchte. Oder ist es nur die Angst vorm Wähler, der eine humorlose Partei schlecht finden könnte?

STANDARD: Darf Satire alles? Haben Sie für sich eine Grenze definiert?

Klien: Um es kurz zu machen: Satire darf alles, aber nicht blöd sein. Genauer: Satire darf auch blöd sein – dann aber gscheit blöd! (Oliver Mark, 16.12.2018)