RCS soll Textnachrichten vereinheitlichen. Die Chancen dafür stehen aber schlecht.

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Von Whatsapp bis zu iMessage, von Signal bis zum Facebook Messenger: Moderne Kommunikations-Apps bieten erheblich mehr Möglichkeiten, als es die gute alte SMS je vermochte. Doch diese Entwicklung hat auch einen unerfreulichen Nebeneffekt: All diese Messenger stellen Insellösungen dar, sie können also nicht untereinander kommunizieren. Die Konsequenz: Kaum ein Smartphone-Nutzer kommt mit nur einem einzelnen Messenger aus, um wirklich alle Freundeskreise erreichen zu können.

Eine Lösung

Geht es nach dem Willen mancher Branchengrößen, könnte all dies aber schon bald anders sein. Unter dem Namen Rich Communication Services (RCS) soll endlich ein neuer Standard in der Smartphone-Welt Einzug halten. Das Versprechen der oft auch schlicht als "Chat" bezeichneten Technologie: all die Features, die man von einem modernen Messenger gewohnt ist – von der Videoeinbettung bis zur Gruppendiskussion – auf Basis einer neutralen und anbieterunabhängigen Plattform.

Klingt gut, hat aber ein klitzekleines Problem: Die Realität hinkt dieser Vision derzeit massiv hinterher. Das liegt nicht zuletzt daran, wie RCS technisch umgesetzt wird. Als Nachfolger für SMS und MMS wurde das Ganze von der GSM Association (GSMA) bereits 2008 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Es dauerte aber bis zum Jahr 2016, dass man sich mit dem "Universal Profile" auf einen brauchbaren Standard einigen konnte.

Derzeit wird das Projekt RCS vor allem von einem Konzern vorangetrieben: Google. Das Unternehmen hat vor einiger Zeit die Firma Jibe übernommen, die passende Cloud-Lösungen für die technische Abwicklung der Kommunikation entwickelt. Diese Software bietet man jenen Firmen an, die für die eigentliche Implementation von RCS zuständig sind: den Providern.

Im Vergleich zu SMS/MMS bietet RCS zahlreiche Vorteile: erheblich längere Nachrichten, Übertragung auch via WLAN, Audionachrichten, bessere Bild- und Videoqualität und vieles mehr.
Android

Schnittstelle Provider

Und genau hier offenbart sich denn auch das zentrale Problem: Die Vision des universellen SMS-Nachfolgers geht nämlich erst dann auf, wenn sämtliche Provider RCS unterstützen. Sonst sind die Nutzer erst recht wieder voneinander isoliert – in diesem Fall halt nicht durch App-, sondern durch Providergrenzen. Derzeit ist man von diesem Ziel aber noch weit entfernt: Laut der GSMA wird RCS aktuell von insgesamt 65 Betreibern in 46 Ländern unterstützt – ein Bruchteil der global agierenden Anbieter. Am besten sieht es hierbei noch in den USA aus, wo mittlerweile mehrere Provider RCS in ihren Netzen anbieten – zuletzt hat sich der Marktführer Verizon in diese Riege eingereiht.

Österreich

Ein Blick nach Österreich bringt alle diesbezüglichen Hoffnungen aber wieder auf den Boden der Realität zurück. So heißt es etwa bei A1 auf Nachfrage des STANDARD, dass man die Situation zwar laufend evaluiere, es momentan aber keine konkreten Pläne in dieser Hinsicht gebe. "Die Implementierung von RCS ist eine sehr kostenintensive Sache, der aus unserer Sicht nicht immer ausreichende Vorteile gegenüberstehen", wird man im Nachsatz noch deutlicher. Bei "3" will man gleich gar keine Hoffnungen aufkommen lassen: Man habe die Situation mehrfach evaluiert und sich gegen einen Launch entschieden, betont das Unternehmen.

Anders sieht man das bei T-Mobile Austria: Die Tochter der Deutschen Telekom will nämlich RCS sehr wohl unterstützen. Einen konkreten Zeitrahmen nennt man dabei zwar noch nicht, verweist aber darauf, dass derzeit auch gleich mehrere der eigenen Schwesterfirmen an RCS-Support arbeiten. Und das hat einen durchaus guten Grund: RCS soll künftig nämlich auch als Plattform für Chatbot-Dienste und die Kundenkommunikation genutzt werden. Bisher verwenden viele Firmen für diese Aufgaben SMS. Das sei aber eine Einbahnstraße, da es hier für die Kunden keine Antwortmöglichkeiten gebe. Das soll bei RCS anders sein – von all den zusätzlichen Funktionen einmal ganz abgesehen.

Ein Hoffnungsgebiet für RCS: der Kundensupport.
Grafik: Google

Android: Ja. Apple: ???

Doch es gibt noch eine weitere Hürde für den Erfolg von RCS: Müssen nicht nur die Provider den Standard unterstützen, gilt es auch, die Smartphone-Hersteller zu überzeugen, entsprechende Apps mitzuliefern beziehungsweise RCS-Support in ihre SMS-Clients zu integrieren. Während es in der Android-Welt nicht zuletzt durch entsprechende Aktivitäten von Google (Android Messages) und Samsung in dieser Hinsicht recht gut aussieht, schweigt Apple zu diesem Thema bisher komplett. Und das durchaus verständlich – hat man mit iMessage bereits selbst eine Art SMS-Nachfolger entwickelt, der für das Unternehmen einen entscheidenden Vorteil hat. Da der Service nur für iPhones erhältlich ist, erschwert er seinen Nutzern den Umstieg auf Android-Geräte, da sie dort dann auf SMS-Kommunikation zurückfallen würden. Zwar gab es zuletzt Berichte, dass die Provider Druck auf Apple machen, um RCS-Support zu übernehmen, die Erfolgsaussichten dieses Unterfangens scheinen aber gering.

Und dann wäre da noch ein Unterschied, der in Zeiten steigender Sensibilität bei Privatsphärenthemen für so manche Nutzer ein Ausschließungsgrund sein könnte. Im Gegensatz zu Signal oder Whatsapp sind bei RCS die Nachrichten nämlich nicht Ende-zu-Ende verschlüsselt. Ganz im Gegenteil sieht der Standard sogar zentrale Abhörschnittstellen für Behörden vor – so wie es jetzt schon bei Telefonie und SMS der Fall ist.

Fazit

So sehr ein universeller Messenger-Standard generell zu begrüßen wäre, so gering scheinen die Erfolgschancen von RCS. Die Realität ist, dass die meisten Nutzer mit Whatsapp und Co durchaus zufrieden sind, die parallele Nutzung mehrerer Apps stellt da eine vergleichsweise kleine Unannehmlichkeit dar. RCS wirkt da wie der Versuch der Provider, die Zeit zurückzudrehen. Das Bestreben einer Branche, die sich nicht eingestehen will, dass man den Messenger-Zug verpasst hat. Dass man sich hierfür ausgerechnet mit Google zusammengetan hat und damit einem Unternehmen, das in den vergangenen Jahren eine wahrlich beeindruckende Liste an Messenger-Leichen hinterlassen hat, passt perfekt in dieses Bild. (Andreas Proschofsky, 29.4.2019)