Marmor trifft auf Schleimhaut, digital auf analog: Eine innige Verbindung von Gegensätzlichem beschwört die Künstlerin Nives Widauer am Beginn ihrer Ausstellung Blanche im Wiener Kunstverein Das Weisse Haus. Eine rosa glänzende, kitschige Dekoschale dient als Projektionsfläche. Das Video, das in ihrem an einen offenen Mund erinnernden Inneren läuft, zeigt Marmor aus der Hagia Sophia in Istanbul.
Im Video huschen die Hände der Künstlerin als Schatten über die Steinplatten der Kirche. Widauer hat es beim Besuch am Bosporus spontan gedreht. Es ist nur eines vieler intuitiv aufgetaner Fundstücke, die in der Präsentation in neue Kontexte treten. Ein Zufallsfund vom Flohmarkt ist der Liebesbrief an eine gewisse Blanche: Die gebürtige Schweizerin erklärt die Adressierte zur Leerstelle, ihre Arbeiten, die weibliche Identität thematisieren, zu Indizien.
Mit dem Staubsauger gegen Grenzen
Wie ein Tatort, der eine Geschichte verbirgt, wirkt ein antiquarischer Schreibtisch: Séparé de Madame B. - Der Ex von Frau B. Im Video El Sueño de Blanca liegt eine Frau zunächst scheinbar leblos auf einem Teppich, steht dann aber auf und saugt ihre mit Kreide markierte Tatortsilhouette weg. Das Video mag aufrufen, sich von Begrenzungen durch Rollenbilder zu befreien. Zugleich ist es aber zu den Reflexionen Widauers über das Verhältnis digitaler und analoger Medien zu zählen: Projiziert auf einen Teppich, überlagert sich darin das Muster des Textils mit Pixeln aus dem Beamer.
Das Highlight der Schau ist hingegen gänzlich analog: Die Assemblageserie Possibilities zeigt rätselhafte, fragmentarische Figürchen, gefügt aus Aquarellmalerei und Puppenkleidern. Erkundet wird das Spannungsfeld zwischen den Möglichkeiten des Körpers und den Einschränkungen, die uns die Kleidung auferlegt. (Roman Gerold, 15.12.2018)