Der Kiefer eines Homo rudolfensis.
Foto: Hessisches Landesmuseum

Frankfurt am Main – Vor über zwei Millionen Jahren lebte im Osten Afrikas mit Homo rudolfensis der älteste bislang bekannte Vertreter unserer Gattung. Etwa zeitgleich kam in derselben Region eine Spezies vor, die mit den Urahnen der Menschen zwar verwandt war, aber einen völlig anderen Weg eingeschlagen hatte: Paranthropus boisei verfügte dank mächtiger Backenzähne und stark ausgeprägter Kaumuskulatur über die höchste Beißkraft aller Hominiden. Allerdings setzte er diese nicht zum Beuteschlagen ein, sondern um zähes Pflanzenmaterial zu zerkleinern.

Pflanzliche Kost kann aber sehr abwechslungsreich sein, wie Vegetarier wissen. Eine im Fachjournal "PNAS" veröffentlichte Studie belegt, dass die Urmenschen dieser frühen Ära in Sachen Ernährung flexibler waren, als man bislang gedacht hatte. Die beiden Spezies konnten sich damit auf unterschiedliche Umweltbedingungen einstellen, was ihre Überlebenschancen erhöhte, berichtet das Senckenberg-Forschungsinstitut.

Zähne als Zeugnis

Wissenschafter der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung und der Universität Frankfurt untersuchten fossilen Zahnschmelz von drei Individuen von Homo rudolfensis und Paranthropus boisei, die vor etwa 2,4 Millionen Jahren an den Ufern des Malawisees lebten. Selbst nach Jahrmillionen lässt sich aus der Kohlenstoff- und Sauerstoff-Isotopenzusammensetzung im Zahnschmelz rekonstruieren, was das Individuum gegessen hat. Geochemische Analysen ermöglichen es, die aufgenommenen Anteile von Pflanzen mit verschiedenen Photosynthesewegen zu unterscheiden.

"Die von uns untersuchten Homo rudolfensis und Paranthropus boisei haben sich insgesamt zu 60 bis 70 Prozent von sogenannten C3-Photosynthese-Pflanzen ernährt, die innerhalb des Grabensystems vorkamen. Das waren vermutlich vornehmlich Teile von Bäumen, beispielsweise deren Früchte, Blätter und Knollen. Es wurden beträchtlich weniger Pflanzenbestandteile verzehrt, die heute in offenen afrikanischen Savannen dominieren, nämlich Pflanzen die C4-Photosysnthese betreiben, sagt Studienleiterin Tina Lüdecke.

Das steht in Kontrast zu einem nahen Verwandten, Paranthropus aethiopicus, der etwa zeitgleich weiter nördlich im ostafrikanischen Graben lebte. Im Gegensatz zu den Malawisee-Anwohnern nahm er deutlich mehr C4-Pflanzen zu sich. Solche Pflanzen waren in der trockenen Graslandschaft des ostafrikanischen Grabens, in der Paranthropus aethiopicus lebte, eher zur Hand.

Zahnreste eines Paranthropus boisei.
Foto: Hessisches Landesmuseum

Schon diese sehr alten Verwandten des Menschen konnten ihre Ernährung also auf ihre Umgebung ausrichten, bilanziert Lüdecke. Etwas später – vor zwei Millionen Jahren – lebende Verwandte setzten diese Anpassungsfähigkeit fort: Wer in den südafrikanischen Wäldern lebte, ernährte sich weiter maßgeblich von C3-Pflanzen. Bewohner des trockeneren Nordens hingegen aßen zunehmend die dort wachsenden C4-Pflanzen.

Auch heute noch gehören Pflanzen aus beiden Gruppen zu den Grundnahrungsmitteln der Menschheit. Extrem verbreitete C3-Pflanzen sind beispielsweise Weizen und Reis, zu den C4-Pflanzen zählen unter anderem Mais und Hirse. (red, 23. 12. 2018)