STANDARD: "Alles, nur bitte kein Publikumsliebling in Wien werden!" sagte einmal der jüngst verstorbene Ignaz Kirchner. Er wurde es doch. Passt auch auf Sie: Als Burgchef bekamen Sie Morddrohungen, heute bekommen Sie Standing Ovations nach Ihren Lesungen.

Peymann: Peymann, ein Publikumsliebling in Wien? Ich weiß nicht. Es ist mir eher unheimlich, als lebendige Legende durch die Stadt zu laufen.

STANDARD: Da müssen Sie wenigstens nicht tot sein, wie andere Legenden.

Peymann: (lacht) Ja, denn ich habe rechtzeitig das Weite gesucht, und das nicht in Richtung Ehrengrab, sondern Richtung Berlin. Was fast aufs Gleiche rauskommt – Berlin ist ja eine bekannte Theater-Totengräber-Stadt. Ich musste wohl nicht erst sterben, wie Mozart oder Nestroy ... So wie Elfriede Jelinek dereinst sicher auch von der "Nestbeschmutzerin" zur "Heiligen Johanna" des österreichischen Theaters aufsteigen wird. Viele Leute verbinden jedenfalls mit der Theaterarbeit hier das Glück einer wichtigen, schönen Zeit, das steckt noch in den Herzen der Zuschauer. Der Widerstand, der damals vom Burgtheater ausging, trug dazu bei, dass man das Gefühl hatte: Da ist ein Theater, das beginnt, den ganzen Schmutz der Republik wegzuräumen.

Peymann auf der Probebühne des Burgtheaters im Wiener Arsenal.
Regine Hendrich

STANDARD: Selbst der skandalisierte "Heldenplatz" von Thomas Bernhard wurde 1988 zum Renner. Der Liebe der Wiener entgeht man nicht, um es mit Ödön von Horvath zu sagen. Es freut Sie aber, oder?

Peymann: Ich hoffe, dass es mit meiner nächsten Premiere im Akademietheater kein abruptes Ende dieser "Liebe" gibt, dass durch diesen realen Peymann, diesen realen Greis von 81 Jahren, nicht der theatralische und politische Oppositionelle der Vergangenheit ausgelöscht wird. Die Kampfansage, das Theater und die Dichter ernst zu nehmen, mit Theater aufzuklären, wach zu rütteln, zu polemisieren und niemandem nach dem Maul zu reden, hatte mir den Ruf eines politisch Alternativen eingebracht.

STANDARD: Sie sagen, Sie seien im Herzen ein Anarchist geblieben. Gilt das noch?

Peymann: Ja – obwohl künstlerisch war ich immer ein "Konservativer". Von der Uraufführung der "Publikumsbeschimpfung" von Peter Handke 1966 bis heute standen für mich im Zentrum immer die Dichter und das Drama. In unserer Zeit im Burgtheater waren es – erstmals in dessen Geschichte – die zeitgenössischen österreichischen Dichter, die uraufgeführt wurden: Bernhard, Handke, Turrini, Jelinek. Wir haben die Türen weit geöffnet, sie haben für uns, für unsere Schauspieler, unser Theater geschrieben. Diese identitätsstiftende Funktion von Dichtung und Burg und Österreich: Das war’s.

STANDARD: Sie wären selbst gern Schriftsteller geworden. Warum wurde nichts draus?

Peymann: Meine Sehnsucht, lieber mit Menschen zusammen zu sein als einsam vor der Schreibmaschine zu sitzen, hat das verhindert. Aber natürlich, die Schriftstellerei wäre der Traumberuf gewesen. Ein Buch, ein Roman: Das sind die intensivsten Botschaften an die Menschen. Im Theater kommt dafür das Gemeinschaftserlebnis dazu, da lacht oder weint man mit dem Publikum. Eine Menge, eine "polis" erlebt gemeinsam, was recht ist, was ungerecht, fühlt mit den Außenseitern. Wir verzaubern ein Auditorium für einen Augenblick, dann ist es vorbei – aber sicher nie folgenlos.

Ignaz Kirchner, der vor kurzem verstorbene Burgschauspieler pflegte Briefe mit "der verrückte Ignaz" zu unterschreiben.
Foto: Imago

STANDARD: Ignaz Kirchner hat seine Postkarten immer mit "der verrückte Ignaz" unterschrieben. Muss man ein bisschen verrückt sein als Schauspieler?

Peymann: Nein man muss nicht, aber man kann! In diesem Beruf haben "Geordnete" und "Verrückte" Platz. Aber ab wann ist man überhaupt "verrückt"? Niemand weiß, dass Voss vor jeder Othello-Vorstellung im Wald seine Stimme eine Stunde lang wund geschrien hat, um dieses heisere Timbre zu kriegen. Das ist doch wahnwitzig, besessen. Verrückt? Vielleicht.

STANDARD: Bleiben im Schauspieler eigentlich Mikrofasern von jeder Rolle zurück?

Peymann: Ich bin kein Schauspieler, aber ich glaube nicht. Das wird alles wieder gelöscht, für die nächste Rolle. Schauspieler sind ja wie Kinder, die spielen. Manche muss man als Regisseur anstoßen, manche bremsen, manche wollen diskutieren, manche in Ruhe gelassen werden – dagegen ist eine Tigerdressur harmlos. Aber das ist der große Reiz, die große Freude an diesem Beruf. Müsste ich entscheiden: Ich würde sicher alles tun, um wieder Regisseur zu werden.

STANDARD: Warum wollten Sie nie Schauspieler werden?

Peymann: Das ging schon vor 70 Jahren schief. Da sollte ich bei einem Krippenspiel in einer Kirche in Bremen einen Zwerg spielen, aber ich hab nur geweint und gebrüllt. Ich liebe Schauspieler – ich liebe sie auf der Probe, ich liebe sie in den Figuren, aber im Privaten setzt sich das nicht mehr fort. Früher, ja. Aber im Laufe meines Lebens wurden meine Freunde die Regisseure, die Dramaturgen, die Dichter.

STANDARD: Noch einmal zurück zu den österreichischen Autoren. Die Auftragswerke haben Sie immer persönlich abgeholt?

Peymann: Fast immer. Als ich noch in Bochum war, fuhr ich zehn Stunden mit dem Zug nach Österreich, um ein neues Stück von Bernhard abzuholen. Dann zehn Stunden zurück, und wenn ich nicht schon beim Aussteigen gesagt hätte: "Ich mach das", wäre es aus gewesen. Beim Kategorismus Bernhards musste das sofort entschieden werden. Als ich mich nach seinem neuen Theaterstück "Elisabeth II." nicht sofort gemeldet habe, schrieb er postwendend: "Jetzt habe ich Ihnen das Stück geschickt und denke, ich habe es in einen Sarg gelegt."

Regine Hendrich

STANDARD: 20 Jahre lang haben Sie eng mit Bernhard zusammengearbeitet. Blieben Sie immer per Sie mit ihm?

Peymann: Ja. Alle Gespräche, all die Briefe, Postkarten, Telegramme: per Sie.

STANDARD: Zu Beginn haben Sie einander nur Telegramme geschrieben.

Peymann: Ja, weil er anders nicht zu erreichen war, er hatte zunächst kein Telefon. Allein die Telegramme Bernhards wären einen Sammelband wert. Immer nur ein paar Worte, ein paar Zeilen – aber das auf den Punkt, treffend. Das saß. Und dann seine fanatische Pünktlichkeit: Wenn Sie eine Minute zu spät kamen, war er weg. Selbst wenn mein Zug aus Deutschland Verspätung hatte: Er war weg! Bernhards "Konsequentismus".

STANDARD: Hat Sie das gekränkt?

Peymann: Gekränkt? Verzweifelt. Auf der anderen Seite waren wir ja Jahre lang sehr eng mit einander verbunden, durch die Arbeit. Ich war viel mit ihm zusammen, dennoch: Ich würde mich nie als seinen Freund bezeichnen.

STANDARD: Weil Sie von Ihren Reisen sprachen. Sie fahren nicht Auto, zu Wiener Taxlern hatten Sie ein spezielles Verhältnis. Die einen ließen Sie wissen, dass Sie "weg gehören", die anderen empfahlen Ihnen, Sartre oder Camus zu spielen.

Peymann: Ich habe keinen Führerschein, also sind Taxifahrer wichtig für mich – und die Wiener Taxler besonders: Die haben einen besonderen Sinn für Pointen, wie die Fiakerkutscher. Die sagten mir vor dem Burgtheater: "Dies ist das größte Theater Europas mit dem größten Regisseur Europas". Verrückt, diese Stadt ist theaterverrückt! Die Wiener, mit ihrer Theatralik, ihrem Sprachgefühl, ihrer Musikalität lieben die Theaterleute, identifizieren sich mit ihnen. Aber je mehr man liebt, desto mehr kann man auch hassen – das habe ich weiß Gott zu spüren bekommen. Das theatralische Gefühl der Österreicher macht diese Stadt einmalig.

STANDARD: Liegt das an ihrer Herkunft?

Peymann: Vielleicht? Ihr Italienisches, Slowenisches, Kroatisches, Ungarisches, Tschechisches ergibt eine interessante Mischung. Das ist die Geburtsstunde des musikalischen Österreichers. Erschreckend daher, dass sich gerade die österreichische Politik so fremdenfeindlich gibt, sich ausgerechnet dieses Land, das selbst aus einem Schmelztiegel entstanden ist und einst Kanzler mit den Namen Kreisky, Vranitzky, Sinowatz hatte, so vehement als Avantgarde des Fremdenhasses geriert.

Thomas Bernhard (links) und Peymann bei der Uraufführung von "Heldenplatz" am 4. November 1988 an der Burg.
Foto: Cremer

STANDARD: Von der Uraufführung "Heldenplatz" 1988 gibt es ein Video, das zeigt den 19-jährigen Heinz-Christian Strache in der Loge stehend und laut Buh rufend. Heute ist er Vizekanzler. Wie ordnen Sie das ein?

Peymann: In der Auseinandersetzung um mich und Bernhards "Heldenplatz" versammelten sich diese rechten Lümmel. Begann das Heute damals schon? Komischerweise ist eben dieses Österreich heute Spitzenreiter sehr konservativer Politik, man baut hohe Mauern gegen die Flüchtlinge. Sonst hinkt Ihr Österreicher doch lieber ein bissl hinterher ...

STANDARD: Wenn die Populisten auf die politische Bühne kommen: Was bedeutet das fürs Theater, muss es im Gegenzug vernünftiger werden?

Peymann: Aber nein, Theater ist immer unvernünftig. Ich wüsste nicht, wie man heute im Theater auf einen Donald Trump reagieren kann. Ein neuer Shakespeare müsste her, um diese böse Missgeburt eines Alptraums zu fassen. Es ist so ungeheuerlich, dass es dem Theater die Sprache verschlägt. Früher konnten wir die Welt in Gut und Böse einteilen, aber nun haben wir die Maßstäbe verloren. Da kann man nur noch böse lachen – oder zum Zyniker werden. Aber ich bin sicher, dass die junge Generation ihre Kräfte sammeln und sich wehren wird. Und ich hoffe, es geht ohne Blutvergießen.

STANDARD: Weil Sie Bruno Kreisky erwähnten. Er wollte Bernhard zum Burgtheater-Direktor machen. Das wäre was gewesen!

Regine Hendrich

Peymann: Ja, und Bernhard wollte mich zum Oberspielleiter und Schriftstellerin Hilde Spiel zur Chefdramaturgin machen. Ich hab ihn für verrückt erklärt – und er hat zum Glück abgesagt. Mord und Totschlag hätte das gegeben! Aber es hat ihm geschmeichelt, natürlich war die Burg auch für ihn etwas Großartiges. Thomas Bernhard war ein wirklicher Patriot, teilte die Idole Österreichs: Musik, Musikverein, Burgtheater – das war es, das hat, auch für ihn, die Topographie der österreichischen Identität ausgemacht.

STANDARD: Er hat Ihnen geraten, sich bloß nicht von Wien umarmen zu lassen. Vergeblich?

Peymann: Sicher nicht vergeblich. Umarmen lassen hab ich mich – weiß Gott – nie. Sein Rat war: "Vorsicht, wenn die Wiener Sie umarmen, haben Sie danach entweder keine Brieftasche mehr oder ein Messer im Rücken." Bernhard war für mich der Führer durch den österreichischen Dschungel. Dass meine 13 Jahre in Wien so gut gingen, verdanke ich ihm. Er erklärte mir, wie man durch die Wiener Hölle gehen kann, ohne Schaden zu nehmen. Es war rührend: Der große Thomas Bernhard hat mir eine Wohnung gesucht. Zunächst wollte er mich in einem Hotel einmieten, weil er meinte: "Länger als ein Jahr geht das eh nicht gut mit Ihnen in Wien." Bei der Wohnung riet er mir: "Keine im Parterre, sonst kommen die Wiener am Sonntag vorbei, zum Burgtheater-Direktor-Anschaun." Er hat mir das notwendige Misstrauen beigebracht.

STANDARD: Als Sie Burg-Chef wurden in Wien, hat es auch fast Mord und Totschlag gegeben. Sie haben in Wien dann auch mit allen gestritten.

Peymann: Immer der Sache, nie des Streitens wegen. Ich habe alles mit meinem norddeutschen Dickkopf ausgehalten und ausgefochten. So sind die Bremer. Keine Kompromisse! Aber der Beginn an der Burg war wirklich hart: Fürs Ensemble kam meine Bestellung ja völlig überraschend, es war alles vorher eingefädelt worden, ohne dass das Ensemble davon wusste. Ich habe den Wutschrei bis ins Café Landtmann unten am Ring gehört. Dort bin ich gesessen, während im Haus verkündet wurde, dass ich der neue Burgtheater-Direktor werde. So stellte sich alles von vornherein auf Kampf ein. Kampf von innen, von außen, dadurch wurde es auch so spannend. Und durch unseren Einsatz, die Arbeit von uns allen, von den "Fremden", haben wir überzeugt. Am Ende wurden sogar aus "Feinden" Freunde.

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Gert Voss als Shakespeares "Othello" an der Burg, den George Tabori 1990 in der Burg inszenierte.
Foto: Ali Schafler/picturedesk

STANDARD: Sie waren sehr streng, auch bei den Proben, sagen Ihre Wegbegleiter.

Peymann: Was heißt streng? Für mich geht es immer um alles. Das Theater ist ein Spiel auf Leben und Tod, und das Leben ist blutig, da fließen auch Tränen. Damals ging es um unsere Arbeit, um die Freiheit der Kunst, um die Wahrheit. Und es stand alles auf der Kippe. Als Gert Voss als Richard III. eine Minute auf der Bühne war, war die Schlacht fast gewonnen. Das Publikum sah: Ja. Das ist das neue Theater, das ist die neue Burg. Aber wie entsteht so eine Arbeit? Voss hat mir bei einer Probe einmal seinen Vertrag ins Parkett geschmissen und wollte gehen. Er hatte seinen Vertrag immer dabei, "für alle Fälle, damit ich ihn dir jederzeit hinwerfen kann". Natürlich wird im Theater auf Proben geweint, gesucht, gelacht, geschrien – da gibt es schrecklichste Depression und größte Heiterkeit. Druck, Verzweiflung und Freiheit und Glück.

STANDARD: Stimmt es eigentlich, dass Sie bei Thomas Bernhard nur hartes Brot und Eckerlkäs zu essen bekommen haben?

Peymann: Grauenvoll, aber er hatte nichts anderes daheim. Trotz Riesenküche mit allen Schikanen.

STANDARD: Kochen Sie daheim in Köpenick noch Marmelade aus den Brombeeren in Ihrem Garten ein?

Peymann: Fragen Sie mich bitte nicht! In der Tiefkühltruhe warten noch kiloweise Brombeeren vom letzten Sommer auf einen Marmeladenkoch!

STANDARD: Die Wildschweine und Waschbären sind Sie losgeworden? Die können Sie nach Ihrem Abgang in Berlin jetzt nicht mehr mit ihrem Brüllen "Ich bin der Peymann vom Berliner Ensemble" verjagen.

Peymann: Das hatte bei den Wildschweinen Erfolg, nicht so bei den Waschbären. Gegen die habe ich eine Lebend-Falle aufgestellt, aber ich bin angezeigt worden. Das ist verboten, in Berlin steht der Waschbär unter Tierschutz. Jetzt lebe ich also mit Waschbären und einer Riesenfamilie von Maulwürfen.

STANDARD: Sie inszenieren jetzt in Wien, was haben Sie noch vor?

Peymann: Die große Frage ist: Schaffe ich den Wechsel vom "König meiner Theater" zum angestellten Reise-Regisseur?

STANDARD: Ein schwieriger Wechsel.

Peymann: Und vielleicht überstehe ich ihn nicht. Aber jetzt erst einmal Wien: Mit den beiden Schauspielkünstlern Maria Happel und Michi Maertens zu probieren ist phantastisch – und so vertraut. Ich bin der großen Burgtheaterdirektorin Karin Bergmann, mit der ich ja auch schon seit einer Ewigkeit in der Arbeit verbunden bin, dankbar, dass sie mich auf diese Abenteuerreise noch einmal eingeladen hat. "Die Stühle" sind ein wunderbares Stück zum Abschiednehmen ...

Regine Hendrich

STANDARD: "Adieu" ...

Peymann: ... steht am Schluss des Stückes. Dass ich so alt geworden bin und immer noch glaube, arbeiten zu können, macht natürlich einen Teil meiner Lächerlichkeit aus: ein anachronistischer Dinosaurier auf Reisen. Dass ich immer noch auftrete, als hätte ich eine Armee zu kommandieren. Dabei kommandiere ich doch höchstens meine Taxifahrer. Ich versuche, mir mit jeder Arbeit ein neues Heute als Regisseur zu schaffen. Noch habe ich keine Lust, mit einem Hund durch den Köpenicker Forst zu streifen.

STANDARD: Sie haben sich immer eine Rose im Wiener Volksgarten neben der Burg gewünscht, die Ihren Namen trägt ...

Peymann: Ich hatte eine! Von Hannes Krisch geschenkt! Gleich links, die vierte oder fünfte Rose. Aber sie hat kein Namensschild und ich hab sie nicht mehr gefunden. Oder ist sie etwa eingegangen? Es gibt zwei zentrale Fragen: Rose und Ehrengrab.

STANDARD: Als Ehrenmitglied der Burg haben Sie das Recht auf ein Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof. Sie wollen aber lieber auf dem Berliner Dorotheenstädtischen Friedhof begraben werden, bei Bert Brecht und Co.

Peymann: Ein toller Friedhof. Vielleicht lasse ich mich aber aufteilen: Herz in Wien und Körper in Berlin.

STANDARD: Da käme Ihr Herz in die Herzerlgruft der Augustinerkirche. Der Letzte, der so begraben wurde, war Kaiser Franz Josephs Vater.

Peymann: (lacht) Ich weiß! Das Schöne am Theater ist: Man kann träumen – sogar auf der Bühne sterben, wie Molière. Aber es ist nicht aufzuhalten. "Wir" werden immer weniger: Wir haben erst Voss zu Grabe getragen, jetzt Kirchner. Für wen war das die Generalprobe? Nur eines ist sicher: Den Tod, den erleben wir alle!

STANDARD: Letzte Frage: Worum geht's im Leben?

Peymann: Das fragen Sie jeden, oder? Das familiäre Glück, das für viele entscheidend ist, habe ich in dem Sinne nicht gefunden. Meinen Sohn habe ich nicht erzogen – vielleicht ist er deshalb vernünftig geworden. Meine Familie? Immer das Theater, die Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner. Die Wahrheit suchen, im Privaten und durch das Theater, das ist die Maxime, nach der ich immer nur gelebt habe. Und indem ich das sage, glaube ich es mir schon nicht mehr. Vielleicht sind wir alle Träumer, alle verloren?