Als ich hier vergangene Woche über diesen emotionalen Cocktail aus Wut und Enttäuschung sprach, der sich in Frankreich in einer popularen Revolte Bahn bricht, da kamen dann schnell die Gegenargumente, dass das doch alles durch rechte Fake-News-Seiten und Putins Trollfarmen gesteuert sei.

Als könne es nicht eine Gleichzeitigkeit geben: berechtigte Wut und egalitäre Instinkte, die zugleich heterogen und instrumentalisierbar sind. Echte Empörung und Akteure, die damit ihr außenpolitisches Süppchen kochen. Ja, alles gleichzeitig und durcheinander. Eigentlich sind ja nahezu alle Geschehnisse in der wirklichen Wirklichkeit mehrdeutig und ambivalent.

Sie sollten sich lieber damit abfinden, dass bei fast jeder Frage die richtige Antwort lautet: Es ist kompliziert. Es ist diese Kompliziertheit, die viele nicht ertragen, weshalb ja auch Verschwörungstheorien so beliebt sind. Sie fantasieren immer ein einfaches Ursache-Wirkung-Verhältnis herbei, der Komplexität wird das Komplexe ausgetrieben, die Welt ist dann aufgeräumt. Die undurchschaubaren Dinge werden klar, wenn man sich einredet, dass irgendjemand im Hintergrund die Fäden zieht. "Ambiguitätsintoleranz" nennt das der deutsche Philosoph Thomas Bauer. (Robert Misik, 16.12.2018)