Mittelständische "Hidden Champions" und Start-up-Unternehmen, die Nischenprodukte erzeugen, scheuen oft die Kosten für internationale Patentanmeldungen.

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Wien – Ein mittelständisches Unternehmen sieht sich mit unerwarteter Konkurrenz konfrontiert: Ein ehemaliger Mitarbeiter hat offenbar vor seinem Ausscheiden geheime Informationen zur Herstellung gerade jenes Produkts an sich gebracht, mit dem das Unternehmen in einem Nischenbereich Weltmarkführer ist.

Der Exmitarbeiter beginnt, das Produkt mit dem entwendeten Know-how selbst herzustellen, und bietet entsprechende Serviceleistungen an. Anlaufkosten für die Entwicklung hat er keine, er kann das so Ersparte sogar in die Weiterentwicklung investieren. Darauf angesprochen, rechtfertigt er sich damit, die Spezifika der Fertigung durch "Reverse Engineering", also gezieltes "Zurückentwickeln" der Originalprodukte, erlangt zu haben.

Wäre das entwendete Know-how durch ein Patent geschützt, könnte relativ leicht gegen die unbefugte Verwendung vorgegangen werden. "Hidden Champions" wie das skizzierte Unternehmen, aber auch Start-up-Unternehmen, scheuen jedoch oft die Kosten für internationale Patentanmeldungen. Manchmal bleibt der Patentschutz auch verwehrt, weil das Know-how keine patentfähige "Erfindung" darstellt und auch unter keinen sonstigen Immaterialgüterschutz wie das Urheber- oder das Geschmacksmusterrecht fällt.

In solchen Fällen bleibt somit nur, das Know-how faktisch vor unbefugter Kenntnisnahme zu schützen. Derartige Geschäftsgeheimnisse sind allerdings im Unterschied zu Immaterialgüterrechten nicht absolut geschützt, sondern genießen bloß Schutz vor unrechtmäßigem Erwerb – etwa vor Industriespionage – und gegen unrechtmäßige Nutzung oder Offenlegung, beispielsweise nach Ablauf eines Know-how-Lizenzvertrages. Das Unternehmen müsste daher konkret nachweisen, dass der Exmitarbeiter ein Geschäftsgeheimnis entwendet hat.

Zusätzliche Anforderungen

Die vergangene Woche im Nationalrat beschlossene Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zur Umsetzung der EU-Know-how-Richtlinie wird den Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Zukunft verbessern. Sie stellt aber auch zusätzliche Anforderungen an deren Inhaber.

Zum einen wird der Begriff des "Geschäftsgeheimnisses" gesetzlich definiert. Der Gesetzesentwurf entspricht dabei im Wesentlichen der bisherigen Rechtsprechung und umfasst alle Informationen, die "geheim" und gerade deshalb von kommerziellem Wert für ein Unternehmen sind.

Neu ist allerdings, dass für die Qualifikation als Geschäftsgeheimnis auch "angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen" gefordert werden. Ein geschädigtes Unternehmen müsste daher im Zivilprozess nachweisen, welche Schritte es unternommen hat, um das Know-how vor Entfremdung zu schützen.

Dafür kommen vertragliche Vereinbarungen in Betracht – Geheimhaltungsklauseln in Dienstverträgen, Non-Disclosure Agreements mit Kunden oder Partnern – oder technische und organisatorische Maßnahmen: von physischen Zutrittskontrollen über die Beschränkung von Zugriffsrechten ("need to know") bis hin zu Passwortschutz und Datenverschlüsselung.

Auch die gerichtliche Durchsetzung soll erleichtert werden: Bisher mussten die Inhaber paradoxerweise das betreffende Geschäftsgeheimnis dem Gericht und damit auch dem Verfahrensgegner (!) offenlegen, um eine Verletzung nachzuweisen. Zur Wahrung der Vertraulichkeit in Gerichtsverfahren reicht es nunmehr aus, das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses so weit zu substanziieren, dass sich dessen Bestand und der geltend gemachte Anspruch schlüssig ableiten lassen.

Im weiteren Verfahren kann das Geschäftsgeheimnis nur dem Gerichtssachverständigen offengelegt werden, während der potenzielle Rechtsverletzer von der Akteneinsicht ausgeschlossen bleibt. Ein bisher möglicher "Totalverlust" des Rechteinhabers – Offenlegung des Know-how bei gleichzeitigem Unterliegen im Verfahren – sollte damit weitestgehend vermieden werden.

Da der Gesetzesentwurf keine Übergangsbestimmungen vorsieht, sind die Änderungen auch für bestehendes Know-how relevant. Unternehmen sind daher angehalten, ein Inventar ihrer schützenswerten Geschäftsgeheimnisse zu erstellen und ihre Geheimhaltungsmaßnahmen auf deren Angemessenheit hin zu prüfen. Davon wird der rechtliche Schutz in Zukunft abhängen. (Roland Marko, Georg Kresbach, 18.12.2018)