Lediglich 14 Kilometer misst der Abstand zwischen Afrika und Europa an der schmalsten Stelle. Doch nicht nur geografisch, sondern auch wirtschaftlich verbindet die beiden Kontinente mehr, als vielen hierzulande bewusst ist: Europa ist der weitaus wichtigste Handelspartner, die Direktinvestitionen aus der Europäischen Union in Afrika übertreffen jene der USA beinahe um das Sechsfache, jene Chinas um das Achtfache. Auch beim Warenhandel mit Afrika liegt die Europäische Union im weltweiten Vergleich klar an erster Stelle vor China und den USA.

Perspektiven bieten

Die Entwicklung unseres Nachbarkontinents hat eine besondere Bedeutung für Europa – neben wirtschaftlichen sind zweifellos auch migrations- und sicherheitspolitische Gründe zu nennen. Einen wichtigen politischen und wirtschaftlichen Impuls kann das EU-Afrika-Forum liefern, das unter Österreichs Ratspräsidentschaft am 18. Dezember in Wien stattfindet. Das Potenzial Afrikas ist groß, die wirtschaftlichen Aktivitäten heimischer Unternehmen sind im EU-Vergleich bislang aber zurückhaltend – am aktivsten sind sie in Südafrika und im Maghreb-Raum.

Europa muss Antworten auf das wachsende Engagement anderer Global Player finden. China hat seine Investitionen in Afrika in den vergangenen 18 Jahren um 40 Prozent und damit auch seinen Einfluss massiv gesteigert. Klarerweise geht es hier auch um den Zugang zu Rohstoffen – Afrika deckt ein Drittel des chinesischen Rohölbedarfs ab.

Evident ist, dass afrikanische Länder ihre ökonomischen Möglichkeiten nur dort entfalten können, wo die entsprechenden Rahmenbedingungen gegeben sind. Wie kann und soll sich Europa also einbringen? Die Europäischen Union muss dazu beitragen, dass die Menschen in Afrika Perspektiven für ein Leben in ihrer Heimat sehen. Dafür müssen Rechtsstaatlichkeit und politische Stabilität in den Ländern unseres Nachbarkontinents gestärkt werden. In diesem Sinn hat die Europäische Kommission im September ihre Vorschläge für eine EU-Afrika-Partnerschaft vorgelegt. Diese sollen Investitionen in nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Ausbildung fördern. Die Empfehlungen gehen in die richtige Richtung, könnten aber mutiger sein – indem Europa deutlich mehr langfristige Kredite für strategische Projekte zur Verfügung stellt.

Keine Zeit verlieren

Placebos reichen nicht aus, damit in afrikanischen Staaten international marktfähige Produkte und Arbeitsplätze entstehen. Hingegen wäre etwa eine Zusammenarbeit im Bereich erneuerbare Energien, wie Photovoltaik, Biomasse oder E-Fuels, eine mögliche gemeinsame Erfolgsgeschichte. Insgesamt gilt es aber, den europäischen Handlungsspielraum realistisch einzuschätzen: Die Zukunft Afrikas kann und soll nicht in Europa entschieden werden.

Ein weiterer Stellhebel wäre, Wirtschaftspartnerschaften mit jenen Staaten zu starten oder zu stärken, die bereits über politische Stabilität und solides Wirtschaftswachstum verfügen. Diese Länder könnten als Role-Model für andere fungieren. Klar ist, dass es in jedem Staat Herausforderungen gibt und jeder spezielle Bedürfnisse hat, etwa die Schaffung einer modernen Infrastruktur, die Etablierung eines erfolgreichen Bildungssystems oder die Erleichterung der Einfuhr für afrikanische Produkte nach Europa – in Schablonen zu denken bringt uns nicht weiter.

Es liegt an Afrika wie an der Europäischen Union, Chancen zum beiderseitigen Vorteil zu nutzen. Angesichts der globalen Entwicklungen sollte keine Zeit mehr verloren werden. (Michael Löwy, 16.12.2018)