Ist es für die Qualitätssicherung bei Biomilch unerlässlich, dass Kühe das ganze Jahr auf der Weide stehen? Diese Forderung der Lebensmittelkette Hofer an seine Lieferanten könnte gegen Fairnessregeln verstoßen.

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Kleine Lieferanten fühlen sich zunehmend der Marktmacht der großen Lebensmittelketten ausgeliefert und immer wieder auch unfair behandelt, etwa durch überzogene Auflagen, die kleinere Betriebe nur schwer erfüllen können.

Ein aktuelles Beispiel sind die jüngsten Richtlinien für Biolieferanten von Hofer zur Weidehaltung und zum ganzjährigen Auslauf für Kühe. Was wie eine Maßnahme zur Qualitätssteigerung klingt, kann auch einen Wettbewerbsmissbrauch darstellen und dadurch Betrieben und Verbrauchern schaden.

Auf EU-Ebene ist eine Richtlinie über unlautere Unternehmenspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette – Unfair Trade Practices Directive oder kurz UTP-Richtlinie – geplant, die solchen überzogenen Qualitätskriterien einen Riegel vorschieben soll.

Das gleiche Ziel verfolgt der Fairnesskatalog, den die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) vor kurzem veröffentlicht hat, sowie die Erklärung auf der Website des Handelsverbands, mit der sich die Top sechs des Lebensmittelhandels zur Einhaltung des Fairnesskatalogs verpflichtet haben.

Verbindlich oder nicht

Bei diesen Verhaltenskodizes stellt sich stets die Frage nach deren Verbindlichkeit und den Konsequenzen der Nichteinhaltung. Während es sich beim BWB-Katalog um einen unverbindlichen Leitfaden handelt, haben die sechs großen Handelsketten Rewe, Spar, Hofer, Lidl, Metro und Unimarkt eine Selbstverpflichtungserklärung abgegeben. Dadurch wurde der Fairnesskatalog zu einer verbindlichen Branchenvereinbarung des Lebensmittelhandels.

Unter Punkt vier steht etwa, dass man keine überzogenen Anforderungen, die zur Gewährleistung der Qualität des Produkts bzw. der Leistung nicht unerlässlich sind, stellen wird. Nun stellt sich die Frage: Ist die Weidehaltung bzw. der Auslauf für Kühe an 365 Tagen für die Qualität von Biomilch tatsächlich erforderlich, und wird das von Konsumenten erwartet? Oder gibt es gelindere Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, etwa für Milchbauern in Bergregionen und Hanglagen?

Irreführungsverbot

Handelt es sich um überzogene Anforderungen, dann wäre dies ein Widerspruch zur Selbstverpflichtung. Nun ist es rechtlich anerkannt, dass die Nichteinhaltung solcher Selbstbindungen, wenn sie entsprechend veröffentlicht sind und einen definierten Adressatenkreis betreffen, gegen das Irreführungsverbot des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoßen kann. Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs kommt die Missachtung einer einheitlich gefestigten Standesauffassung einer Gesetzesverletzung gleich (OGH 4 Ob 109/89).

Ein UWG-Verstoß kann sowohl zu Unterlassungs- als auch zu Schadenersatzansprüchen führen. Zur gerichtlichen Einbringung solcher Klagen sind nicht nur Vertragspartner, sondern auch unmittelbar verletzte Unternehmer und Mitbewerber sowie bestimmte Interessensverbände legitimiert. Die inhaltliche Abwägung, ob solche Qualitätskriterien notwendig sind oder nicht, ist allerdings in vielen Fällen schwierig.

Verbleibende Unsicherheiten über die Verbindlichkeit solcher Selbstverpflichtungen sollten spätestens nach Umsetzung der UTP-Richtlinie beseitigt sein. Der derzeitige Entwurf sieht für unfaire Handelspraktiken Geldbußen vor, deren Höhe unter Berücksichtigung von Art, Dauer und Schwere des Verstoßes zu berechnen sind. Wegen eingeschränkter EU-Kompetenzen ist eine solche EU-Initiative nur für den Bereich der Landwirtschaft möglich.

Jetzt schon sind klare Parallelen zwischen dem Entwurf und dem Fairnesskatalog der BWB erkennbar. So würde die Richtlinie im Änderungspunkt 65 die Erlassung von strengeren Umwelt- und Tierschutzsstandards durch den Lebensmittelhandel gegenüber kleineren und mittleren Lieferanten unter Strafe stellen, wenn diese über die bestehenden gesetzlichen Vorschriften hinausgehen.

Mit einer nationalen Umsetzung ist in frühestens zwei Jahren zu rechnen. Bis dahin müssen der Lebensmittelhandel und unabhängig davon alle anderen Branchen selbst beurteilen, ob sie den Fairnesskatalog der BWB, soweit dieser über geltendes Recht hinausgeht, freiwillig implementieren, etwa im Rahmen von Compliance-Programmen. Die betroffenen Lieferanten sind vom guten Willen ihrer Großkunden abhängig. (Isabelle Innerhofer, Kristina Mirtchev, 17.12.2018)