Werner Hoyer plädiert für einen Abschied vom paternalistischen Denken.

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STANDARD:: Vor einem Jahr haben Sie gesagt, Europas Flüchtlingspolitik brauche "Tempo". Milliarden müssten in Afrika investiert werden. Ist genug weitergegangen?

Hoyer: Die EIB hat ihre Aktivitäten in Afrika und der Karibik im vergangenen Jahr ausgebaut. Wir sind aber als Partner für Afrika nicht erst seit der jüngsten Flüchtlingswelle aktiv. Wir, als die EU-Bank für Investitionen, fördern Projekte in Afrika seit mehr als 50 Jahren. Seither haben wir auf dem Kontinent 45 Milliarden Euro in mehr als 1500 Projekte investiert.

STANDARD: Die EIB hat die Mittel für Afrika sogar verdoppelt. Das macht trotzdem nur einen geringen Anteil Ihrer gesamten Investitionen aus. Fehlt es an Nachfrage?

Hoyer: Nein, es fehlt nicht an Nachfrage, sondern wir brauchen ein Umdenken. Wir müssen uns von der paternalistischen Entwicklungspolitik verabschieden, die vor allem auf klassische Subventionen setzt, und hin zu einer Politik kommen, die die Rahmenbedingungen für staatliche und nichtstaatliche Investitionen verbessert und privates Kapital einbezieht. Wir als EU-Bank wirken als Katalysator für Investitionen, indem wir mithilfe von Finanzinstrumenten die knappen öffentlichen Ressourcen besser nutzen.

STANDARD: Worauf konzentrieren Sie sich dabei?

Hoyer: Der Handlungsbedarf ist riesig: Entwicklung des Privatsektors, Ausbau der strategischen Infrastruktur, Bekämpfung des Klimawandels, Förderung der regionalen Integration und Bekämpfung der Migrationsursachen. Entscheidend ist, dass wir von der Mentalität loskommen, alte Traktoren nach Afrika zu bringen oder Festnetzleitungen dort zu verlegen. Stattdessen müssen wir modernste Technologie in Stellung zu bringen.

STANDARD: Was wäre ein aktuelles Beispiel dafür?

Hoyer: Zusammen mit Africa Mobile Networks errichten wir in der Demokratischen Republik Kongo und in Kamerun derzeit Mobilfunksendemasten, die mit Solarzellen betrieben werden und bis zu 3,6 Millionen Menschen an die Mobilfunknetze anbinden werden. Das eröffnet für diese Menschen die Chance, selbst in den entlegensten Orten Zugang zu Geschäfts-, Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen zu erhalten sowie zum Internet. Wir überspringen damit in der technologischen Entwicklung Generationen.

STANDARD: Wie hat die EIB nun konkret auf die Flüchtlingswelle reagiert?

Hoyer: Wir haben auf Bitten der EU-Mitgliedstaaten – unserer Aktionäre – die sogenannte Resilienzinitiative ins Leben gerufen, mit der wir die Wirtschaftskraft und Krisenfestigkeit vor Ort stärken wollen, damit Menschen aus Afrika sich gar nicht erst auf den Weg nach Europa machen müssen: Wir stellen mit der Initiative sechs Milliarden Euro zusätzlich bis 2020 an Finanzierungen bereit, um öffentliche und private Investitionen von 15 Milliarden Euro anzuschieben.

STANDARD: China gewinnt an Marktanteilen in Afrika. Vernachlässigt Europa seinen südlichen Nachbarkontinent?

Hoyer: Ja, wir haben die Möglichkeiten in der Tat etwas spät entdeckt. Aber wir brauchen uns nicht zu verstecken. Ich war gerade in Äthiopien und hatte Gespräche mit Politikern, die mir geschildert haben, welche Probleme es mit der Nachhaltigkeit von chinesischen Projekten im Land gibt. Wenn China eine Straße baut und Arbeiter dafür einfliegt, hat das keinen Beschäftigungseffekt. Und wenn die Straße nach drei Jahren Risse aufweist, ist das nicht nachhaltig. Ich will diese Projekte nicht schlechtreden. Aber es sollte uns zu mehr Partnerschaft motivieren. (Leopold Stefan, 17.12.2018)