Wien – Wenn jemand, wie Brahim E., mit 67 Jahren zum dritten Mal vor Gericht sitzt, da er eine Frau erstochen haben soll, drängt sich auch beim unvoreingenommenen Beobachter der Eindruck eines Musters auf. Er sieht es vor dem Geschworenengericht unter Vorsitz von Eva Brandstätter eher nicht.

In den 70er-Jahren tötete der Kosovare in Deutschland seine Freundin. "Ich war betrunken, als sie zu Tode gekommen ist. Nach der Tat, die mir passiert ist, habe ich keinen Tropfen mehr getrunken", erzählt er dazu. Die Verurteilung in den 90ern wegen Raubmordes in der Schweiz, als er einer Frau elf Messerstiche zufügte, sei ein Justizirrtum gewesen, beharrt er. Und dass er am 20. Mai auf der Buchengasse in Wien-Favoriten achtmal mit einem Küchenmesser auf seine 59 Jahre alte, von ihm getrennt lebende Ehefrau einstach, sei ohne Tötungsabsicht geschehen, beteuert der insgesamt dreimal Vorbestrafte.

Ehefrau in Haft kennen gelernt

Die Staatsanwältin sieht das anders und hat den Pensionisten wegen Mordes angeklagt. Sie schildert, dass E. bei seinem Gefängnisaufenthalt in Österreich wegen eines Suchtmitteldelikts seine spätere Gattin kennenlernte, nach seiner Entlassung 2012 heiratete das Paar. Schon im Jahr darauf erstattete die Frau erstmals eine Anzeige wegen gefährlicher Drohung, zog diese aber wieder zurück.

Im Dezember 2016 verließ sie den Angeklagten und ging zunächst zurück nach Serbien, kam aber 2017 wieder nach Wien. Im Frühjahr 2017 erfolgte die nächste Anzeige wegen einer Drohung, das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft wieder eingestellt. Frau E. wollte mit ihrem Noch-Ehemann aber nichts mehr zu tun haben, tauchte immer wieder bei Verwandten unter.

"Sie wollte einfach nicht mehr. Sie hat erkannt, wie er wirklich war", sagt eine Enkelin des Opfers als Zeugin. Eine andere Enkelin schildert, wie E. versuchte, den Aufenthaltsort der Frau zu eruieren: "Er hat gesagt, er gibt mir 100 Euro, wenn ich ihm sage, wo die Oma ist. Aber ich verkaufe meine Oma nicht", entrüstet sich die 26-Jährige. Noch dazu, da ihr Stiefgroßvater ihr auch das Küchenmesser mit 13-Zentimeter-Klinge in seinem Hosenbund zeigte und ankündigte, damit seine Frau zu töten, wenn er sie treffe.

Verwandte wollten angeblich sein Geld

Alles gelogen, behauptet der Angeklagte, unterstützt von Verteidigerin Irene Pfeifer. Ja, es habe Streit mit der Familie seiner Frau gegeben, die zahlreichen Verwandten hätten es immer auf sein Geld abgesehen gehabt. Einmal habe ihn sein Stiefsohn sogar entführen lassen, daher habe er auch immer das Messer zur Selbstverteidigung mitgeführt.

Die Einvernahme des Angeklagten gestaltet sich aber schwierig, da er kontinuierlich wortreich abschweift oder ausweicht. Bei der Frage, warum seine Frau nach Serbien ging, versucht er sich beispielsweise durchzulavieren, bis es der Vorsitzenden reicht. "Herr E., ich sage Ihnen nochmals: So geht das nicht", ermahnt sie ihn, bei der Sache zu bleiben. "Doch", lautet die trotzige Reaktion.

Einen Monat vor der Tat habe er seine Gattin zum letzten Mal gesehen, ein zufälliges Treffen am Praterstern sei das gewesen, man sei amikal auseinandergegangen. Vorsitzende Brandstetter ist diesbezüglich skeptisch. Und zitiert aus einer SMS, die E. seiner Frau am 15. Mai geschickt hat. Die Grußformel: "Stinkende Hure!"

Zorn und Wut über angebliche Gotteslästerung

Am Tattag habe er die derart Angeschriebene zufällig vor ihrer Wohnung auf der Straße getroffen, sagt er. Ein Wortgefecht entstand, sagt der Angeklagte. "Sie hat gesagt, sie hat ihren Gott in ihre Muschi getan!", empört sich der Angeklagte. "Was soll das heißen?", ist Brandstetter verwirrt. "Das müssen Sie besser wissen!", vermutet E. anscheinend. "Nein, weiß ich nicht", kontert die Vorsitzende. Worauf der Angeklagte zu einem Monolog über Gotteslästerung, und wie sehr ihn diese aufgeregt habe, ansetzt.

Zusätzlich habe seine Frau ihn auch am Kragen gepackt, angespuckt und ihm ein Verhältnis mit ihrer Nichte unterstellt, beschuldigt er die Getötete weiter. Beisitzerin Sonja Weiss will es konkret wissen: "Warum haben Sie zugestochen?" – "Es war Wut, es war Zorn, ich war außer Kontrolle", hört sie.

Tatsächlich konnte er aber offensichtlich durchaus noch klar denken. Denn eine Autofahrerin wurde damals auf den Streit aufmerksam, stoppte und fragte durch das Fenster der Beifahrerseite, was denn los sei. Frau E. nutzte die Chance, riss sich los und rannte hinter dem Wagen herum auf die Straße. Der Angeklagte lief ihr nach und muss ihr, wie der medizinische Sachverständige vermutet, dabei den ersten Stich in den Rücken versetzt haben, der Herz und Lunge traf.

Junge Passanten stoppten Flucht

Neben der Fahrerseite der entsetzten Zeugin stach E. weitere sieben Mal auf seine Frau ein, ehe sie zusammenbrach. Er selbst ging zügig von dannen, wurde aber an der nächsten Kreuzung von vier Jugendlichen gestoppt und zu Boden gebracht, bis die Polizei eintraf. Der erste Beamte am Tatort sagt als Zeuge aus, E. habe davon gesprochen, die Frau aus Eifersucht getötet zu haben, was der Angeklagte bestreitet.

Die Geschworenen sprechen ihn schließlich einstimmig wegen Mordes für schuldig, das Urteil lautet auf lebenslange Haft. Ob E. die Entscheidung akzeptiert, bleibt unklar – anstatt mit seiner Verteidigerin zu sprechen beginnt er einen Monolog, in dem er sich beschwert, dass er nur verurteilt worden sei, da er Albaner sei und Verschwörungstheorien gegen die Verwandten seiner getöteten Frau aufstellt. Die Vorsitzende wertet das als keine Erklärung, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 17.12.2018)