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"Game of Thrones" wurde eher zufällig eine Serie.

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Die momentan wohl erfolgreichste Fernsehserie der Welt wäre fast nie erschienen. Drehbücher für die Pilotfolge wurden fast ein Jahr liegengelassen, die Startepisode selbst fiel dann in internen Tests durch. Fast neunzig Prozent der Folge mussten neu gedreht werden, teils wurde die Besetzung getauscht. Mehr als drei Jahre nach Entwicklungsbeginn der Serie wurde sie erstmals ausgestrahlt – und langsam entwickelte sie sich zur popkulturellen Lawine, die heute fast jeder kennt: "Game of Thrones".

Feedback-Schleifen

Die Blockbuster-Serie ist zwar ein außergewöhnliches Beispiel dafür, wie klassisches Fernsehen produziert wird; die intensive Feedback-Schleife samt Adaptionen ist aber typisch für die TV-Branche. Bei Videostreamern ist das zusehends anders. Statt einzelner Pilotfolgen werden nun ganze Staffeln bestellt; wichtig sind prominente Namen – egal ob vor oder hinter der Kamera. Denen wird zwar sehr viel Geld gezahlt, "Grey's Anatomy"-Erfinderin Shonda Rimes etwa hunderte Millionen, ebenso Ryan Murphy ("American Horror Story", "Glee"). Die Streaming-Dienste bieten aber noch etwas, das für Kreative unbezahlbar ist: absolute künstlerische Freiheit.

Absolute Freiheit

Serienerfinder und Regisseure können tun und lassen, was sie wollen, solange sie dafür mit ihrem Namen einstehen. Das sagte im Frühjahr 2018 auch Netflix-Inhaltschef Ted Sarandos. Das mag dafür gesorgt haben, dass auf den Videostreamingdiensten Serien entwickelt wurden, die im klassischen Fernsehen wegen eines vermeintlichen "Nischencharakters" keine Chance gehabt hätten: Etwa "Orange is the New Black" oder "Transparent". Aber immer öfter ist zu beobachten, dass für sehr viel Geld sehr schlechte Serien produziert werden.

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Man nehme etwa "Die Romanoffs", das erste Amazon-Drama von Matthew Weiner. Dessen "Mad Men" gilt als eine der besten Serien aller Zeiten, weshalb sich alle großen Sender und Streamingdienste um seine nächste Show bemühten. Amazon erhielt den Zuschlag, auch weil es keine inhaltlichen Vorgaben machte. Das Ergebnis ist eine Serie, die kaum Neues zu sagen hat, keinen kohärenten Storylines folgt und bei Kritikern durchfiel. Ähnliches gilt für Amazons Woody-Allen-Serie.

"Ja statt Nein"

"Ich baue ein Team, das in einer Stadt, die darauf trainiert ist, 'Nein' zu sagen, 'Ja' sagen soll", sagte Netflix-Manager Sarandos. Wer bei einem der zahlreichen Netflix-Teams ein "Nein" erhält, kann sein Glück bei anderen Mitarbeitern probieren. Auch eine Absage von Sarandos selbst bedeutet nicht das Aus für die Serie. Weil Pilotfolgen wenig bringen, kauft Netflix gleich ganze Staffeln, um seine Bibliothek mit Originalinhalten zu füllen. Dafür gibt der Streamingdienst jährlich die gigantische Summe von acht Milliarden Dollar aus; viermal mehr als HBO.

Quantität statt Qualität

Wie viele Flops Amazon, Netflix und Konsorten produzieren, fällt dabei gar nicht so auf, weil die schlechteren Machwerke rasch versteckt werden. Wer hat etwa je mehr als eine Folge "The OA", "Disjointed", "Flaked", "The Rain" oder "Haters Back Off" gesehen? Ganz zu schweigen von Megaflops wie "Marco Polo", das Netflix über 200 Millionen Dollar gekostet hat.

Aber die Devise "Quantität statt Qualität" wird weiter Bestand haben, da sich die Plattformen für die kommenden Streaming-Kriege aufmunitionieren müssen. Nicht nur Disney, sondern auch Warner Bros hat eine eigene Plattform angekündigt; Netflix und Amazon müssen nun rasch eigene Marken aufbauen. Ob hochpreisige Deals mit erfolgsverwöhnten Produzenten, die dann ihre Fantasien ausleben statt auf Attraktivität der Serien zu schauen, dabei helfen, wird sich zeigen. (Fabian Schmid, 1.1.2019)