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Prediger Fethullah Gülen droht wieder einmal die Auslieferung.

Foto: Reuters/Mostoller

Es wäre eine Sensation und für den türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan wohl einer seiner größten Erfolge: die Auslieferung des Predigers Fethullah Gülen aus den USA. Und so nah wie jetzt scheint er diesem Ziel noch nie gewesen zu sein. Laut dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu soll US-Präsident Donald Trump Erdoğan am Rande des G20-Gipfels gesagt haben, an einer Auslieferung werde aktuell gearbeitet. Das Weiße Haus dementiert dies jedoch.

Nun eröffnet die Aussage Çavuşoğlus einige Fragen: Wollte Trump etwa nur seiner sehr eigenen Art von Höflichkeit entsprechen, als er die Aussage machte? Und kann der US-Präsident einfach rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft setzen? Zumindest Letzteres ist wohl mit Nein zu beantworten und könnte zum Bremsklotz für die Auslieferungsbemühungen werden. Bisher hat es Ankara versäumt, die Verwicklung des Predigers in den Putschversuch vom 15. Juli 2016, die es ihm nimmermüde vorwirft, nachzuweisen.

Das FBI setzt laut Çavuşoğlu nun einen anderen Hebel an: Es werde geprüft, ob gegen Gülen wegen Steuerhinterziehung ermittelt werden kann. Eine Bestätigung aus Washington fehlt aber bisher.

Seit 1999 im US-Exil

Der 77-jährige Gülen lebt seit 1999 im US-Exil, Ankara fordert zwar schon länger seine Auslieferung, macht aber erst seit dem Putschversuch von 2016 wirklich Druck. Gülen selbst bestreitet jede Beteiligung. Als erwiesen jedoch gilt, dass die islamische Bewegung, der Kritiker sektenähnliche Kaderstrukturen vorwerfen, systematisch Strukturen des türkischen Staats unterwandert hatte. Allerdings hatte die AKP auch jahrelang mit der Gülen-Bewegung zusammengearbeitet, als es noch darum ging, säkulare-kemalistische Elemente zu schwächen.

Seit dem Bruch mit Gülen übt die türkische Regierung immer wieder Druck aus. So wollte man im Sommer US-Pastor Andrew Brunson gegen den Prediger eintauschen. Das misslang. Trump forderte Brunsons bedingungslose Freilassung und löste mit der Androhung von Strafzöllen eine Finanzkrise in der Türkei aus.

Druck via Khashoggi-Mord

Ein wirkungsvolleres Faustpfand aber scheint Ankara mit Informationen über den Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi zu besitzen. Beobachter vermuten, Ankara sei im Besitz von mehr Informationen, die eine direkte Verstrickung des saudischen Thronfolgers Mohammad bin Salman in den Mord nachweisen – Material, das die Trump-Administration mitbelasten könnte, denn die gilt als Unterstützer des ehrgeizigen Prinzen.

Erschwert werden könnte der Plan der Trump-Regierung aber durch neue Erkenntnisse des Sonderermittlers Robert Mueller. Dieser warf am Montag dem früheren Trump-Sicherheitsberater Michael Flynn vor, illegal für Ankara lobbyiert zu haben – und zwar für eine Auslieferung Gülens. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 17.12.2018)