Die damalige Katastrophe ist noch in lebhafter Erinnerung: Nach Jahrzehnten in Salzburg, wo Dirigent Herbert von Karajan 1967 die Osterfestspiele gegründet hatte, beschlossen die Berliner Philharmoniker, ihr Festival zu verlassen. Baden-Baden schien lukrativer; auch die reservierte mediale Wertschätzung dürfte gekränkt haben. Den Berliner Könnern wurde bescheinigt, ein formidables Konzert orchester zu sein. Oper jedoch wäre nicht so das Ihre.

Dann halt nicht, mögen sie und ihr damaliger Chefdirigenten Sir Simon Rattle gedacht haben, in Baden-Baden ist es auch schön. Der Weggang im Jahre 2012 brachte die Osterfestspiele und die entsetzte Salzburger Politik in schwerste Nöte. Ein Festival ohne sein einziges Orchester war tatsächlich schwer vorstellbar.

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Klaus Bachler soll neben Christian Thielemann bei den Salzburger Osterfestspielen gestalten. Eine ziemliche Provokation für den Dirigenten.
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Keine Verlegenheitslösung

Die Rettungspläne führten allerdings zu einer guten Lösung: Für die Berliner kam die Dresdner Staatskapelle mit Chefdirigent Christian Thielemann. Das war keine Verlegenheitslösung: Einer der markantesten Dirigenten der Szene und sein opernerfahrenes Traditionsorchester stabilisierten Salzburg. Mit Regisseuren wie Stefan Herheim zeigte man Offenheit. Zudem konnten die Salzburger Produktionen in der Regel nach Dresden mitgenommen werden, was das Leben der jeweiligen Regiearbeit sinnvoll verlängerte.

Im österlichen Salzburg werden Opern nur zweimal gezeigt; die Sommerfestspiele sind davon seit langem abgekommen, Osterproduktionen zu übernehmen.

Der Opernmann aus Bayern

Die vom damaligen geschäftsführenden Intendanten Peter Alward mit eingefädelte Dresdner Lösung müsste in Salzburg eigentlich zu dauerhafter Zufriedenheit führen. Mag Thielemann ein Schwieriger sein, dessen Vertrag sich jeweils nur um ein Jahr verlängert – die Osterfestspiele haben mit ihm ihren Glanz gehalten.

Im Bewusstsein dieser Vorgeschichte ist die vor einigen Monaten getroffene Entscheidung rätselhaft: Klaus Bachler übernimmt ab 1. Juli 2020 die kaufmännische Geschäftsführung der Osterfestspiele; ab der Saison 2022 auch die künstlerische Gesamtverantwortung. Das löste eine veritable Krise aus.

Not amused: Trotz seiner Aussage, in Salzburg mit Klaus Bachler nicht zusammenarbeiten zu wollen, hat der Aufsichtsrat ihm nun den Münchner Intendanten vor die Nase gesetzt.
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Das seltsam starke Duo

Bachler, Nochintendant der Bayerischen Staatsoper, wurde in einer außerordentlichen Generalversammlung als Nachfolger des scheidenden Thielemann-Vertrauten Peter Ruzicka bestellt. Künstlerischer Leiter aber soll Thielemann bleiben. Das Programm jedoch soll er im Einvernehmen mit dem geschäftsführenden Intendanten basteln. So weit die Theorie jener Optimisten, die Bachler holten, wozu selbst der an sich besonnene Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer zählt: Er schwärmt von einem "starken Duo", was Thielemann als weitere Provokation empfinden mag.

Bachlers Bestellung war die erste: Aus Thielemanns öffentlich gewordenen Aussagen gegenüber dem Aufsichtsrat geht nämlich hervor, dass er keinesfalls willens ist, mit Bachler zusammenzuarbeiten. Es gäbe kein Vertrauensverhältnis. Das allerdings hätte jeder prognostizieren können, der sich ein wenig in der klassischen Szene auskennt.

Will man Thielemann loswerden?

So wird nun also gerätselt: Existiert ein Geheimplan, Thielemann wegzuekeln, damit Bachler, der sich offiziell nicht äußert, seinen Vertrauten Kirill Petrenko installieren kann? Er ist Chefdirigent der Berliner Philharmoniker und könnte die nach Baden-Baden Abgewanderten somit wieder nach Salzburg zurückholen.

Klingt genauso kühn wie andere Thesen: Will man nur Thielemann loswerden und das Dresdner Orchester halten? Raufen sich Bachler und Thielemann zu einer Kooperation zusammen, obwohl Thielemann bereits mit Weggang drohte? Es bleibt so spannend wie grotesk, selbst wenn am Ende tatsächlich das angeblich "starke Duo" käme.

Eindeutig überqualifiziert

Selbst wenn Bachler und Thielemann nämlich gute Freunde wären, so konzipierten sie zusammen nur ein Minifestival. Die Osterfestspiele dauern eine Woche und präsentieren zwei Opernabende und ein paar Konzerte. Ein so versierter Manager wie Bachler hätte in dieser Festivalstruktur ein zwerghaftes Betätigungsfeld.

Bisher ging es für Salzburger Manager eher darum, die Pläne des Chefdirigenten mit ein paar Moderne-Konzerten zu verzieren. Dazu ist Bachler eindeutig überqualifiziert. Wer ihn geholt hat, dürfte also blauäugig sein oder besonders raffiniert.

Die Berliner haben jedenfalls in Baden-Baden einen Vertrag bis 2022. Auf STANDARD-Anfrage nennen sie die These von ihrer Rückkehr nach Salzburg eine Spekulation, zu der "wir uns nicht äußern werden". Ein Dementi klingt anders. Man wird sehen. Am Dienstag ist wieder Aufsichtsratssitzung – ohne Thielemann, der bald in Wien sein wird. Er bereitet das Neujahrskonzert mit den Wienern vor. (Ljubiša Tošić, 18.12.2018)