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Der Aufstand der Angestellten wirkt: Google gibt seine Pläne für eine zensurierte Suchmaschine fürs Erste auf.

Foto: ALY SONG / REUTERS

Man habe derzeit keine Pläne zur Veröffentlichung einer Suchmaschine für den chinesischen Markt. So formulierte Google-Chef Sundar Pichai in der Vorwoche den aktuellen Status des umstrittenen Projekt "Dragonfly". Ein neuer Bericht bringt jetzt etwas mehr Licht in die Angelegenheit und dürfte Gegner des Projekts erfreuen.

Dragonfly

Googles Pläne zur Entwicklung einer zensurierten Suchmaschine für China seien "praktisch tot", schreibt "The Intercept" unter Berufung auf interne Quellen des Softwareherstellers. Dies liegt vor allem daran, dass der Zugriff auf die zentrale Informationsquelle für den Aufbau von Dragonfly mittlerweile abgedreht wurde. Google nutzte die Domain 265.com, um einen Einblick in die Realitäten des chinesischen Internets – und somit des staatlichen Zensursystems – zu bekommen. Dabei wurden alle über die chinesische Seite getätigten Suchanfragen analysiert und dann an den Konkurrenten Baidu weitergeleitet. So sah man einerseits, wonach chinesische User suchen, aber auch, welche der Abfragen blockiert werden. Auf Basis dieser Daten hätte man dann eine eigene Suchmaschine entwickeln können, die mit den Regeln des chinesischen Staates konform ist – ohne direkt mit diesem zusammenarbeiten zu müssen.

Mitarbeiter-Protest

Die Pläne für Dragonfly wurden erstmals Mitte August öffentlich und lösten umgehend Empörung unter Google-Angestellten aus. So sei vor allem das Privacy-Team Sturm gelaufen, da man über die konkreten Pläne im Dunkeln gehalten wurde. Nach dessen Protest soll denn auch die Datensammlung bei 265.com deaktiviert worden sein. Die Entwicklung von Dragonfly soll zuvor unter strenger Geheimhaltung erfolgt sein, sodass nur wenige Manager und die wirklich damit betrauten Entwickler eingeweiht waren.

Seit dem Abdrehen der zentralen Datenquelle hat sich Google offenbar auf einen anderen Weg der Beobachtung des chinesischen Internets verlegt: nämlich über externe Quellen also "globale" chinesischsprachige Suchanfragen. Darüber bekommt man allerdings keinerlei Einblick mehr in die Zensurmaßnahmen – was aber essenziell für die Entwicklung von Dragonfly war. Entsprechend sollen mittlerweile viele Entwickler von dem Unterfangen abgezogen worden sein. Sie sollen nun an Projekten für andere Märkte wie Indien, Indonesien, Russland oder auch Brasilien arbeiten.

All dem waren Monate an scharfer interner und externer Kritik an den Google-Plänen vorangegangen. So hatten mehr als 400 Google-Mitarbeiter einen öffentlichen Brief unterschrieben, in dem sie gegen Dragonfly protestierten. Von außen hatte etwa die Menschenrechtsorganisation Amnesty International massive Kritik geäußert.

Ausblick

Dass Google damit seine China-Pläne komplett aufgibt, ist allerdings nicht zu erwarten. Immerhin handelt es sich hier um einen äußerst einträglichen Markt – und zwar einen, in dem Google derzeit die Ausnahme unter westlichen Unternehmen darstellt. Denn während sich Google nach einer öffentlichen Auseinandersetzung mit der chinesischen Regierung über Hackerangriffe und staatliche Zensur vor einigen Jahren komplett aus dem Land zurückgezogen hat, beugen sich andere Unternehmen schon lange den staatlichen Regeln. So betreibt etwa Apple in dem Land eine zensurierte Version seines App Stores in China, auch die lokale iCloud ist so umgesetzt, dass sie staatlichen Überwachern Zugriff auf die Daten der Nutzer ermöglicht. Insofern ist davon auszugehen, dass sich Google als nächstes China-Projekt einfach ein weniger kontroverses Thema sucht – etwa die Veröffentlichung seines Play Stores für Android. (Andreas Proschofsky, 18.12.2018)