Gut erforscht, aber sehr häufig und besonders oft tödlich: Der Brustkrebs soll nun auch mit Selen bekämpft werden.

Foto: APA / Barbara Gindl

Brustkrebs ist die häufigste, die tödlichste, aber auch die am besten erforschte Tumorart bei Frauen. In Europa werden im Vergleich zu anderen Kontinenten doppelt so viele neue Erkrankungsfälle registriert. Mehrere Forschungsprojekte bemühen sich daher um die Entwicklung verbesserter Vorsorgeuntersuchungen, andere setzten auf Alternativen und Ergänzungen zu herkömmlichen Behandlungsmöglichkeiten wie Chemo- oder Strahlentherapie.

Nahrungsergänzungsmittel wie Selen gelten schon lange als Geheimtipp. Das Spurenelement kommt im Körper als Bestandteil verschiedener Enzyme und Proteine vor und schlägt sich beispielsweise beim Zellschutz durch freie Radikale sehr gut. Im Rahmen des EU-Projekts Neosetac, an dem auch das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (Acib), beteiligt ist, forscht man nun an selenbasierten Brustkrebstherapien.

Die Wissenschafter berufen sich dabei auf Erkenntnisse aus mehreren Studien. In einer vom Open-Access-Publisher MDPI publizierten Übersichtsarbeit heißt es zum Beispiel, dass Selen-Bestandteile in In-vitro-Studien Zellbeweglichkeit und Zellwanderung einschränkten. Tierstudien zeigten auch reduzierte Metastaseraten.

Die richtige Dosis

In zu hoher Dosis kann Selen aber auch toxisch wirken. Bei Patientinnen konnten schon Hirnschäden auf zu viel Selen zurückgeführt werden. Am Acib wird deshalb im Rahmen des Projektes an einer Möglichkeit geforscht, Selen in der direkten Tumortherapie einzusetzen – und so auch die richtige Dosierung zu finden: "Selen hat ein relativ schmales therapeutisches Spektrum, in dem es wirklich das macht, was man haben möchte", erklärt Doris Ribitsch, die das Projekt am Acib gemeinsam mit ihrer Kollegin Claudia Tallian bearbeitet.

Es gehe dabei aber nicht darum, Selen über die Nahrung zuzuführen, sondern direkt in die Zellen zu schicken. "Wir benützen dafür Nanopartikel, die den selenhaltigen Wirkstoff zu den Tumorzellen bringen. Wir sind hier gerade noch dabei, verschiedene Wege auszuprobieren", sagt Ribitsch.

Das Grundprinzip ist das folgende: Zuerst wird der selenhaltige Wirkstoff in eine proteinbasierte, abbaubare Nanopartikelkapsel eingeschlossen. Auf der Außenseite wird ein Antikörper angebracht, der gegen einen Rezeptor spezifisch für Brustkrebszellen (Mammakarzinom) gerichtet ist. Am Zielort angekommen, kann der Wirkstoff aus dem Partikel austreten, seine Wirkung entfalten und das Gewebe angreifen. "Diese Biomarker sind in gesunden Zellen nicht vorhanden, deswegen kann der Nanopartikel eigentlich nur zur Krebszelle geleitet werden."

Daraus ergeben sich auch die Vorteile des Therapieansatzes: "Wenn man die Nanopartikel gezielt hinbringt, kann man kleinere Wirkstoffmengen einsetzen und hat auch deutlich weniger Nebenwirkungen", ergänzt die Biotechnologin. Bei der neuen Therapie geht es aber nicht unbedingt darum, bestehende Chemotherapie-Ansätze zu ersetzen. Sie soll lediglich ihre Effizienz erhöhen und ein erneutes Auftreten der Krankheit verhindern.

Fünf internationale Partner

Neosetac, ein Horizon-2020-Projekt der EU, ist eine Kooperation fünf internationaler Partner. Die Koordinatoren an der spanischen Universitat Autónoma de Barcelona kümmern sich um die Auswahl und Synthese der Selenverbindungen. Die weiteren Forschungsgruppen, so etwa am schwedischen Karolinska-Institut, führen experimentelle Versuche und die Auswahl der richtigen Antikörper durch.

Das durch das Wirtschafts- und das Verkehrsministerium sowie von der Förderagentur FFG basisfinanzierte Zentrum Acib bringt die Expertise auf der biotechnologischen Seite ein. Damit die Selenverbindungen und die Nanopartikel, in denen sie eingeschlossen sind, während des Transports stabil bleiben, müssen sie gewisse Eigenschaften erfüllen.

"Es geht darum herauszufinden, wie groß die idealen Nanokörper sein sollten, wie ihre Ladung und wie viel Wirkstoff eingebaut werden sollte", so Ribitsch. Als Material für die Kapseln können unterschiedliche Biopolymere, zum Beispiel humanes Serumalbumin, verwendet werden. Ein Protein, das auch im menschlichen Blut vorkommt.

Das Projekt startete 2017 und soll vier Jahre laufen. Die Internationalität steht für die Projektpartner im Vordergrund: "Das Projekt würde nicht ohne den Wissenstransfer funktionieren. Wir alle bringen verschiedene Expertise mit und werden uns gegenseitig in den Laboren besuchen." (Katharina Kropshofer, 23.12.2018)