An mir lag es nicht. Ehrenwort. Erstens, weil ich dann eh nicht Gas gegeben habe. Und zweitens, weil es eigentlich anders geplant gewesen war: Eigentlich hätten wir zu zweit laufen wollen. Als Sowohl-als-auch-Paar. Und selbstverständlich wären wir da auch gemeinsam über die Ziellinie gegangen: Ein Christkind und ein Weihnachtsmann, die zusammen losrennen und zeitgleich ins Ziel kommen, sind bei so einem Lauf ein Nullsummenspiel. Aber weil Eva dann doch arbeiten musste, stand ich alleine da. Und lief den Vienna Christmas Run also solo: "Weihnachtsmann gegen Christkind" lautete das Match. Aber zum Glück ist es nicht Fußball. Also nix mit "wahrer Brutalität". Ganz im Gegenteil.

Foto: Thomas Rottenberg

Wobei "solo" natürlich so nicht stimmt: Vergangenen Sonntag, am Nachmittag des dritten Adventsonntags, waren da noch 1.300 andere Läuferinnen und Läufer auf der Höhe des ASKÖ-Platzes auf der Prater Hauptallee im Wiener Prater angetreten. 70 Prozent von ihnen liefen für das Team Christkind, 30 Prozent für den Weihnachtsmann. Vermutlich ist das das wirklich aussagekräftige Statement dieses Laufes: Die emotionale Abstimmung bei der Anmeldung fällt eindeutig gegen den dicken Mann im Schlitten aus.

Natürlich wäre es spannend, dieses Verhältnis mit denen der in etlichen anderen Städten Europas derzeit ebenfalls ausgetragenen Weihnachtsläufe zu vergleichen. Nur: In der Vorweihnachtszeit habe ich weder Zeit noch Muße, mich da durch 1.001 Weihnachtslaufseiten zu klicken.

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Bleiben wir also in Wien. Hier war es beim Race-Setting nicht darum gegangen, wer als Einzelsieger ins Ziel kommen würde. Es ging um die Durchschnittszeit der jeweiligen Teams – und so war das Rennergebnis tatsächlich offen.

Schließlich hatte man bei der Anmeldung die freie Wahl gehabt, ob man sich in den Schlitten oder die Krippe legen wollte. Und auf den ersten raschen (aber danach auch den zweiten genaueren) Blick sah es so aus, als wären die Spektren Mann/Frau, Jung/Alt, Dick/Dünn und Schaut-schnell-aus / Nordic Walking innerhalb der Neigungsgruppen "Nordpol" und "Bethlehem" halbwegs gleichmäßig verteilt.

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Auch die Frage der "Behinderung" qua Kostümierung würde nicht rennentscheidend sein: Die zu den Startnummern ausgegebenen Zipfelmützen und Heiligenscheine waren erstens keine echte Behinderung – und wenn, dann etwa im gleichen Ausmaß. Außerdem musste man sie ja auch nicht tragen. Und mit mehr Lametta, also Bart, Bauch und Mantel anstelle von dem, was man halt so anzieht, wenn man sich als in prekäre Verhältnisse neugeborener Heiland verkleiden will, wäre der Weihnachtsmann wohl eine Spur mehr gehandicapt gewesen.

Foto: Thomas Rottenberg

Außerdem betonte Christoph Vetchy, einer der beiden Veranstalter des Laufes, dass es bei dem 5k-Quickie am Weihnachtssonntag eben nicht um die Einzelleistung gehe, sondern um familientauglich-weihnachtliches Spaßhaben abseits der alkoholgeschwängert-überzuckert-überteuerten Trash-Punsch-Abzockerei auf den überfüllten und weitestgehend stimmungsbefreiten Weihnachtsmärkten der Stadt (Vetchy sagte das natürlich höflicher). Aber da war noch etwas. Etwas Relevanteres: Pro Starter und Starterin würden fünf Euro an das Kinderhospiz Sterntalerhof gehen.

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Den Christmas Run gab es diesen Sonntag zum zweiten Mal. Und eigentlich wäre heuer ja die angesagte Revanche des Teams Christkind angestanden: Im Vorjahr hatten die Weihnachtsmänner (und -frauen) die Christkinder nämlich ein bisserl alt aussehen lassen. Und das, obwohl das Anmelde-Sympathie-Voting auch 2017 ganz eindeutig pro Christkind ausgegangen war. Dass die Weihnachtsmänner schneller waren, hätte man aufgrund des Renn-Settings mit Durchschnitts- statt Spitzenzeiten beim ersten Mal ja noch für einen Zufall halten können. Heuer also die Revanche.

Foto: Thomas Rottenberg

Doch ach, dem war nicht so. Praktisch schon ab dem Startschuss setzte sich ein Weihnachtsmann (im Bild: der Start-Ziel-Führende Pirmin Frey, der nach 15 Minuten und 48 Sekunden und somit fast eine Minute vor Gustav Gustenau vom Team Christkind im Ziel war) vom Feld ab. Und obwohl ein Christkind neben mir von einem "Widerspruch gegen die Gesetze der Statistik" redete, war es das nicht: So ziemlich das Einzige, das ich aus dem Mathematikunterricht zum Thema "Wahrscheinlichkeitsrechnung" behalten habe, ist, dass zwei voneinander unabhängige, aber gleich ablaufende Ereignisse mit Zufallsergebnis theoretisch auch bei der 1.000. Wiederholung noch immer das gleiche Ergebnis haben können – ohne dass da Magie oder Betrug im Spiel sind.

Foto: Thomas Rottenberg

Insgesamt ging das Rennen dann zwar knapp, aber eben doch eindeutig aus: Die Weihnachtsmänner holten sich auch heuer den Sieg. Ob in der Über- oder Unterzahl, spielte hierbei, da es wie erwähnt um Durchschnittszeiten ging, keine echte Rolle.

Foto: Thomas Rottenberg

Für die Statistiker: Die 294 Weihnachtsmänner in der Wertung brauchten im Durchschnitt etwa 30 Minuten und zwölf Sekunden (Weihnachtsmann-Männer: 28:35, Weihnachtsmann-Frauen: 31:49) für die flachen fünf Kilometer. Die 638 Christkinder im Schnitt ziemlich exakt zwei Minuten länger (Christmädchen: 33:14, Christbuben: 29:02).

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Wo angesichts von 932 Läuferinnen und Läufern in der Ergebnisliste jene knapp 400 Nasen abgeblieben sind, die auf die von den Veranstaltern kommunizierte Teilnehmerzahl von 1.300 fehlen, weiß ich nicht. Es ist aber auch nicht weiter wichtig. Vielleicht waren sie ja als "Team Rentier" im Geschenkeausliefereinsatz. Oder bewarben sich als "Team Ochs, Esel & Hirten" irgendwo als Krippenfiguren: Solange es nicht unter Andreas Gabaliers Heimattümel-Scheitelknie-Baum ist, soll es mir recht sein. (Andererseits: Das wäre sicher auch spannend.)

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Fein und lustig war der Lauf allemal. Und wirklich ernst nahm das Match (zum Glück, ich habe da in den letzten Jahren schon so einiges an verqueren, sich und allen anderen den Spaß vergällenden Ehrgeizlereien erlebt) auch niemand: Nächstes Jahr kann und wird das Christkind dann versuchen, den Santa-Hattrick zu verhindern.

Heuer aber gab es neben lachenden und strahlenden (und vielleicht nach dem Lauf auch ein bisserl frierenden) Weihnachtsläuferinnen und -läufern noch einen echten Gewinner: den Sterntalerhof. Und ob Rudolf & Blizzen oder Josef & Maria den Scheck über 6.250 Euro abliefern, ist im Endeffekt vollkommen egal. Vermutlich rücken Santa & Jesuskindlein dort ja ohnehin gemeinsam an.

Denn genau darum geht es zu Weihnachten. Erzählt man sich jedenfalls. (Thomas Rottenberg, 19.12.2018)


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