Das Grabungsteam legte an dem neuen Fundplatz im Süden Serbiens unter anderem eine große Zahl an neolithischen Figurinen frei.

Foto: ÖAW/Felix Ostmann

Wien – Nach bisherigen Erkenntnissen ließen die ersten Menschen vor rund 11.000 Jahren im nahen Osten ihr Jäger- und Sammlerdasein hinter sich, um erstmals Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Den Weg nach Europa fanden diese Kulturtechniken erst bedeutend später – wann das geschah, war allerdings lange Zeit weitgehend unklar. Immerhin ließen bisherige Funde darauf schließen, dass die ersten Bauern über die Balkanroute von der Ägäis nach Zentraleuropa vordrangen. Ein österreichisches Forschungsteam konnte nun diese Annahmen aufgrund aktueller Untersuchungen untermauern.

Die Wissenschafter um die Archäologin Barbara Horejs fanden an einem neolithischen Fundort im Süden Serbiens darüber hinaus Hinweise, warum die frühen Ackerbauern für ihr Vordringen in den Norden mehrere hundert Jahre brauchten. "Wir waren gezielt auf der Suche nach einem 'missing link' zwischen dem Neolithikum in der Ägäis und Zentraleuropa", sagte Horejs vom Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Keine Ost-West-Achsen

Dass dieser nur von Süden nach Norden entlang der sogenannten Balkanroute liegen konnte, war von vorneherein klar. "Es gibt so gut wie keine Ost-West-Achsen", so Horejs. Fündig wurden sie in der ersten Ebene nach Skopje, südlich von Nis auf einer Terrasse entlang des Flusses Morava.

"Die Terrasse liegt in einer Höhe von 400 bis 500 Metern, also perfekt für den Ackerbau", vermutet die Archäologin einen von frühen Ackerbauern und Viehzüchtern ganz gezielt gesuchten Punkt. Im August dieses Jahres begann das österreichische Forscherteam in Kooperation mit dem Archäologischen Institut von Belgrad zu graben und wurde fündig.

Sesshafte Gruppe mit materieller Kultur

Steinwerkzeuge, Keramikgefäße, Tierknochen, aber auch eindeutig verbrannte Bereiche, die auf Öfen schließen lassen, sowie eine große Anzahl von Figurinen kamen zum Vorschein. "Wir können davon ausgehen, dass es sich dabei um Reste einer zumindest partiell sesshaften Gruppe mit entsprechender materieller Kultur handelt", ist Horejs überzeugt.

Damit ist es aber nicht getan. Unter den bisherigen Grabungen des Fundortes – genannt "Svinjaricka Cuka" nach dem benachbarten Fluss – liegen noch etwa eineinhalb Meter neolithische Kulturschichten, wie entsprechende Radio-Carbon-Untersuchungen ergaben. "Nun herrscht natürlich große Aufregung, was da jetzt noch kommen wird," sagte die Archäologin. Einen "missing link" stelle der Fundort, der noch dazu eine "relativ große Ausdehnung hat" und laut Horejs "mindestens 20 große Strukturen" umfasst, auf jeden Fall dar und dürfte damit essenzielle Fragen rund um die Sesshaftwerdung in Europa beantworten.

Kleine Migrationsgruppen

Erste sesshafte Pioniere gab es in der Ägäis um 6.700 vor der Zeitrechnung. Dagegen datieren berühmte neolithische Fundorte – wie etwa "Lepenski Vir" an der Donau nördlich von Belgrad als einer der ältesten Zeugnisse frühen Ackerbaus – von 6.000 vor der Zeitrechnung. "Wir fragen uns natürlich, wie es zu dieser Zeitverzögerung kam", so Horejs. Generell gehe man davon aus, dass kleine Migrationsgruppen ausgehend vom Nahen Osten nach Mitteleuropa zogen und dabei das sehr komplexe Wissen über Ackerbau, Viehzucht, das Leben in sesshaften Gemeinschaften in gebauten Häusern mitbrachten. "Der Schritt vom Sammler und Jäger zu Ackerbau und Viehzucht ist eine der größten und nachhaltigsten Revolutionen der Menschheitsgeschichte und prägt uns bis heute", so die Archäologin.

Neben den Grabungen strengt das Forscherteam auch Umweltuntersuchungen an. Gesucht wird nach Zeichen von Umwelteinflüssen wie Überschwemmungen oder Klimawandel. Diese dürften Auslöser dafür gewesen sein, warum frühe Siedler weiter in Richtung Norden zogen. (red, APA, 19.12.2018)