Universalkünstler Koloman Moser (1868–1918) – hier als Modell für seine Heiligenfiguren posierend.

Foto: Mak

Koloman Moser, Paravent, 1906.

Foto: Mak, Georg Mayer

Koloman Moser, Frommes Kalender, 1899.

Foto: Mak

Sein Traum war ausgeträumt. "Mir ist die Wiener Werkstätte nachgerade ein Alp geworden", schrieb Koloman Moser am 20. Februar 1907 an den Kollegen Josef Hoffmann. Das Ideal vom Gesamtkunstwerk sah der Prophet dieser Idee als gescheitert an. Für den Anspruch, sämtliche Bereiche des Alltags zu gestalten – von Architektur über Möbel und Gebrauchsgegenstände bis zu Typografie, Schmuck, Skulptur und Malerei –, sah selbst der Universalkünstler keinen Weg in die Zukunft.

Zermürbt hatte Koloman Moser insbesondere die Kundschaft. Von deren Geschmack mache man sich abhängig, obendrein wüsste das Publikum "meistens gar nicht genau, was es eigentlich wolle", klagte er. Die Wiener Werkstätte war überdies ein finanzielles Desaster, die Produktion von Einzelstücken rechnete sich nicht, die Kollegen waren allesamt weit davon entfernt, kaufmännische Talente zu sein und noch dazu verschlossen gegenüber seinem Vorschlag, in Richtung Massenproduktion zu gehen. Dass sein Kompagnon, der Industrielle Fritz Waerndorfer, Mosers betuchte Frau Ditha um Geld anging, war wohl der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

"Und dann erfasste ihn der Ekel", schrieb Wiens berühmteste Salonière jener Zeit, Bertha Zuckerkandl, im Nachruf auf den 1918 im Alter von nur 50 Jahren verstorbenen Moser. "Gegen taubstumme Blindheit sich zu stemmen, dies fasste er als Vergeudung seiner ihm heiligen Kraft." Und so löste sich dieser prägende Kopf des Wiener Jugendstils von der von ihm mitbegründeten Wirkungsstätte und widmete sich wieder der Malerei, seiner ursprünglichen Disziplin.

Resignation und Motor

Dieser resignative Schritt steht freilich erst ganz am Ende der großen Ausstellung, die dem Protagonisten der Wiener Moderne, dem Motor der Reformbestrebungen, nun 100 Jahre nach seinem Tod im Museum für angewandte Kunst (Mak) gewidmet ist. Aber macht nicht gerade das Wissen um das Scheitern von Utopien das Schwelgen in ihren Ideen umso lustvoller?

Interessant ist ein Gemälde, das diesen Endpunkt markiert: Rax (Semmering) heißt das 1907 entstandene Bild – eine Ode in Tannengrün. Es ist der Blick aus der Villa Mautner Markhof, der Familie seiner Frau Ditha, auf das Bergmassiv der Rax-Schneeberg-Gruppe. Das Hochplateau liegt im Frieden, jedoch in der Ferne. Vor ihm türmt sich beruhigend, aber dennoch schier unüberwindlich der Nadelwald wie eine dunkelgrüne Wand auf.

Nicht die Ode in Tannengrün von 1907, aber wieder ein Blick Koloman Mosers auf die Rax, hier allerdings 1913 und schon stark unter dem Einfluss von Ferdinand Hodler gemalt.
Foto: MakSylvia Kovacek GmbH, Wien

Zahlreiche Ausstellungen hat es zum Werk Koloman Mosers bereits gegeben, in Wien zuletzt umfassend 2007 im Leopold-Museum. Es sei daher eine Herausforderung, gesteht Kurator Christian Witt-Dörring, neue Blicke auf das Werk des Künstlers zu werfen. 2013 hatte er ihn bereits in New York präsentiert.

Qualität maßgeblich

In einem wesentlichen Punkt ist der neue Blick Witt-Dörring und Co-Kuratorin Elisabeth Schuttermeier gelungen: Den 1890 startenden Aufbruch einer jüngeren Wiener Künstlergeneration will man nicht als Bruch, nicht als Zäsur mit dem Vorhergegangenen gelesen wissen. Das sei die modernistische Interpretation dieses Kunstfrühlings. Vielmehr wollten sie an eine Tradition anschließen, in der die Qualität maßgeblich war und die man in Gefahr sah.

"Wien als Bühne der Künste" heißt dieses einleitende Kapitel, das in seiner Kompaktheit die Opulenz von Historismus und Gründerzeit jedoch kaum beschwören kann. Exponate wie Hans Makarts Entwurf für eine Standuhr (1883/84) oder Joseph von Storcks Kabinettschrank für Erzherzog Rudolf (um 1881) gelingt es nicht, die These vom nicht erfolgten Bruch geschmeidig, also nachvollziehbar, zu machen.

Daher zurück zum Aufbruch der Secession, den man nach wenigen Schritten durch die Jugendjahre erreicht: Fast könnte man das, was Hermann Bahr als literarischer Wortführer der secessionistischen Strömung schreibt, unter dem Slogan "Kampf dem Kommerz" zusammenfassen: Es ginge nicht um den Kampf zwischen alter und neuer Kunst. Die Künstlervereinigung, die man 1897 freilich auch gründete, um eine kommunikative und der Vermarktung dienliche Plattform zu haben, erhebe sich "gegen die Hausierer, die sich für Künstler ausgeben". Sie sage diesen: "Ihr seid Fabrikanten, wir wollen Maler sein!"

Secession als Karriereplattform

Eine Ansage, mit der man auch gut Moritz Nährs Foto der Truppe von 1902 überschreiben könnte: Rund um einen Art Teppichwulst in der Secession posierend und auf ihm herumfläzend, finden sich die Thirtysomethings Moser, Stöhr, Orlik, Moll mit Hut und Stock – und Klimt im Reformgewand. Die Secession ermöglichte ihnen den Kontakt mit der Wiener Gesellschaft. Ihre Frauen inszenierten die freien Geister aber eher als Blütendekor: Mosers Frau Ditha wirkt auf einem Foto von 1906 wie ein Ornament, wie ein Teil des geschwungenen Canapés auf dem sie inmitten der üppigen, wie hingegossen wirkenden Stoffbahnen ihres Kleides thront.

Dass Koloman Moser im Vergleich zu dem zu Unrecht ungleich berühmteren Josef Hoffmann der Freiere und Erfindungreichere ist, lässt sich in vielen Stücken ausmachen. Im Vergleich zum Architekten Hoffmann bleibt Moser immer Maler, weiß also genau, wie er die Qualitäten seines Mediums ins Dreidimensionale übersetzen kann. Ein besonders schönes Beispiel ist etwa das collagierte Unterwasserdekor eines Eichenschranks von 1899: Die Pflanzen sind aus Leder, die Fische aus Metallpailletten und textilen Silberschnüren arrangiert.

Großen Stellenwert räumt man dem Entwurfsprozess Mosers ein. Ablesbar wird somit auch, wie sich die sich vom rein kurvo-linearen Prinzip emanzipierenden Eigenarten des Wiener Jugendstils entwickelten, ja, es wird die Besonderheit des Pflanzenornaments und Mosers Innovation des Viereck-Ornaments illustriert. Seine Idealform des Quadrats erntete aber auch Spott, wie eine herrlich komische Karikatur von Josef Danilowatz erzählt. "Und wie sich auch dein Anarchismus spreize, du unterliegst der Kongruenz der Reize", reimt er 1909 über den Charme der in "Kolo-Moser-Uniform" gekleideten Geliebten.

Koloman Moser: Stoffmuster Palmenblatt (1898), Ausführung: Joh. Backhausen & Söhne
Foto: Mak/Katrin Wißkirchen

Studiocharme statt musealer Protz

Eine museale Weihnachtsschau zu Jahresende ist es trotz Gold, Silber und viel Ornament nicht geworden. Vielmehr überwiegt die von den Kuratoren angestrebte Studioatmosphäre. Entstanden ist ein trotz kontrastreicher Container-Stellwände und vielen Vitrinen offenes Atelier. Das durchwandert man staunend, bei den Zeitschriften-Illustrationen beginnend, vorbei an Stoffentwürfen mit zum Ornament gewundenen Fischen, Vögeln und Pilzen, vorbei an Vasen, Porzellan, Geschmeide und dem bis ins Detail zauberhaften Mobiliar. Gelangt zu ganzen Innenraumkonzepten und seinen Entwürfen für Otto Wagners Kirche in Steinhof. Man beschreitet also den Weg Koloman Mosers von der malerischen Fläche in den Raum – und wieder zurück. (Anne Katrin Feßler, 19.12.2018)

Kurz bevor Koloman Moser sich wieder gänzlich der Malerei zuwandte, entwarf er die Glasfenster für Otto Wagners Kirche am Steinhof.
Foto: Mak, Georg Mayer