Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen startete am Mittwochmorgen der Prozess gegen den 16-jährigen Robert K. Der Teenager bekannte sich schuldig, im Mai eine siebenjährige Nachbarin getötet zu haben. Dies hätten Stimmen in seinem Kopf befohlen.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Der Grund für die hohen Sicherheitsvorkehrungen ist eine befürchtete Rache der Familie der Siebenjährigen. Unmittelbar nach dem Verbrechen hatten Angehörige und Personen aus dem Umfeld der betroffenen tschetschenischen Familie Blutrache geschworen.

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Wien – Quasi bis zur letzten Minute liefen im Wiener Landesgericht für Strafsachen die Vorbereitungen für das Verfahren gegen den 16-jährigen Robert K., der am 11. Mai im Ditteshof in Wien-Döbling eine Siebenjährige getötet haben soll. Zum Prozessauftakt gab der Beschuldigte an, dass er sich schuldig bekenne.

In klaren Worten schilderte er, Stimmen hätten ihm die Bluttat befohlen. "Eine Stimme im Kopf hat gesagt, dass ich sie würgen soll. Das tat ich auch. Ich habe weitere Anweisungen gehört. Dass ich sie in die Duschkabine bringen soll, ein Messer holen und zustechen soll." Weitere Details wollte er nicht preisgeben: "Ich kann es nicht noch näher schildern."

Stimmen im Kopf

Nach der Tötung hätte ein Freund an der Tür geläutet. Er habe aufgemacht, der Freund habe die Leiche gesehen. "Er hatte Angst und war geschockt", berichtete der 16-Jährige. Die Leiche des Mädchens habe er aber selber "entsorgt", auch das hätten ihm Stimmen befohlen.

Die Stimmen höre er schon seit Jahren, meinte der Angeklagte. Einmal sei er mit einem Messer vor dem Bett seines Vaters gestanden und sei zum Zustechen aufgefordert worden: "Ich konnte mich dagegen wehren." Die Stimmen höre er "den ganzen Tag". Darüber hinaus nehme er auch Personen wahr, die – wie er nach seiner Festnahme erfahren habe – in Wahrheit gar nicht existieren. In diesem Zusammenhang erwähnte er eine 15-Jährige namens Antonia Weißenberg: "Ich dachte, die war real. Die war immer da, wenn ich sie gebraucht habe."

Wenn er sich den Stimmen widersetze, bekomme er Kopfweh. Von den Stimmen hätte er befreundeten Burschen aus der Nachbarschaft erzählt: "Ich habe mir keine Hilfe erwartet. Ich wollte, dass meine Freunde wissen, wie es mir geht." Die Frage eines Geschworenen, ob er die Stimmen auch jetzt höre, bejahte der 16-Jährige: "Sie sagen mir, dass ich mich beruhigen soll, dass es nicht so schlimm ist."

Debatte über Zurechnungsfähigkeit

Angeklagt wird Robert K. wegen Mordes, die Staatsanwaltschaft hat auch eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt. Nach der Einvernahme des Angeklagten kommen die Gutachter zum Wort, Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp begann.

Es folgten die Ausführungen der beiden psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann und Werner Gerstl, die zu unterschiedlichen Schlüssen kamen:

Der von der Staatsanwaltschaft beigezogene Gerichtspsychiater Peter Hofmann bescheinigte dem Angeklagten Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt und damit grundsätzlich Schuldfähigkeit. Damit könnte – sollten die Geschworenen Hofmann folgen – der 16-Jährige wegen Mordes bestraft werden, wofür das Jugendgerichtsgesetz einen Strafrahmen von bis zu 15 Jahren vorsieht.

Frage, wann psychische Erkrankung ausbrauch

Der 16-Jährige habe im vergangenen Mai, als er auf das sieben Jahre alte Mädchen losging, neben erheblichen Zwangsstörungen – einem Kontroll- und Waschzwang mit bis zu 40-maligem Händewaschen am Tag – und einer Neigung zu Selbstüberhöhung eine narzisstisch-schizoide Persönlichkeitsstörung aufgewiesen, erläuterte der Gutachter. Die schizophrene Erkrankung habe sich aber erst "im Vorstadium" befunden.

"Die schizophrene Erkrankung war zum Zeitpunkt der Tat nicht handlungsbestimmend", stellte der langjährige Gerichtsgutachter fest. Dem Bursch hätten allenfalls "Vorläufersymptome" zu schaffen gemacht. Erst mit Ende Juni habe sich "ein Vollbild der Schizophrenie" herausgebildet, was Hofmann auf die Inhaftierung und die damit verbundenen Lebensumstände des Jugendlichen zurückführte.

Diese hätte dem 16-Jährigen nämlich erhebliche Stressfaktoren bereitet, weil auf ihn – vermutlich aus dem Umfeld der aus Tschetschenien stammenden Familie des umgekommenen Mädchens – ein Kopfgeld ausgesetzt wurde und er sich deswegen im Gefängnis nicht sicher fühlte. Aufgrund der ihm angelasteten Tat sei der Angeklagte außerdem "familiär entwurzelt" und seiner sozialen Perspektiven beraubt, legte Hofmann dar. Diese Faktoren hätten der schizophrenen Erkrankung zum Durchbruch verholfen.

Zweiter psychiatrischer Sachverständiger ab 14 Uhr

Hinsichtlich des Motivs für die Bluttat bemerkte der Gerichtsgutachter: "Es gibt auch schwere Taten, die ohne Schizophrenie begangen werden." Bei seiner ersten Begegnung mit dem 16-Jährigen hätte dieser noch nicht von Stimmen und Erscheinungen gesprochen, sondern habe ihm erklärt, er habe "wissen wollen, wie es ist, wenn man jemanden tötet".

Für den Fall einer anklagekonformen Verurteilung sprach sich der Sachverständige für die zusätzliche Einweisung des Burschen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher aus. Er stufte den Angeklagten aufgrund seiner geistig-seelischen Veranlagung als hochgefährlich ein.

Nach 14.00 Uhr kommt der zweite, vom Gericht bestellte psychiatrische Sachverständige zu Wort. Der Linzer Kinder- und Jugendneuropsychiater Werner Gerstl geht im Unterschied zu Hofmann davon aus, dass beim Angeklagten im Tatzeitpunkt Zurechnungsfähigkeit nicht mehr gegeben war.

Staatsanwältin sieht brutalen Mord

In ihrem Eröffnungsplädoyer sagte die Staatsanwältin, Robert K. habe das Mädchen "brutal getötet." Ende 2017 hätte der Bursch begonnen, sich mit dem Thema Mord auseinanderzusetzen und sich überlegt, "was die beste Variante wäre". Am 11. Mai 2018 hätten sich die Mordgedanken des Schülers "manifestiert".

Am Dienstag gab das Gericht bekannt, dass aus organisatorischen Gründen der Saal gewechselt wird: Der Prozess findet nun unter größten Sicherheitsvorkehrungen im Saal 303 statt.

ORF

Der Grund für die Sorge: Unmittelbar nach dem Verbrechen hatten Angehörige und Personen aus dem Umfeld der betroffenen tschetschenischen Familie Blutrache geschworen. Der Tatverdächtige wurde aus Sicherheitsgründen in ein Gefängnis beziehungsweise in eine psychiatrische Einrichtung in einem anderen Bundesland verlegt. Aktuell sollen sich ein Cousin und ein Onkel der Getöteten in der Justizanstalt Josefstadt in Haft befinden. Das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) geht davon aus, dass sie zu den gefährlichsten Mitgliedern der tschetschenischen Community in Wien zählen.

Sicherheitsschleuse und Wega-Beamte

Vor dem Saal wird eine zusätzliche Sicherheitsschleuse aufgebaut, Verfassungsschützer und uniformierte Polizisten, darunter Mitglieder der Spezialabteilung Wega, werden die Verhandlung sichern. (APA, red, 19.12.2018)