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EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Italiens Premier Giuseppe Conte bei einem Treffen in Brüssel vergangene Woche.

Foto: Reuters/Francois Lenoir

Rom/Brüssel – Dass sie die neuen Regeln zur Einleitung eines Defizitverfahrens im "präventiven Arm" der gemeinsamen Haushaltsüberwachung aus politischen Gründen notfalls sehr flexibel handhaben kann, hat die EU-Kommission am Mittwoch bewiesen. Vizepräsident Valdis Dombrowskis erklärte neben Währungskommissar Pierre Moscovici, man habe den Streit um die Neuverschuldung im Budget 2019 beigelegt. Rom habe zugesagt, das Defizit auf 2,04 Prozent des BIP zu begrenzen, anstatt der 2,4 Prozent, die erst vor vier Wochen in Brüssel vorgelegt worden waren.

Damals noch hatte Moscovici erklärt, die Neuverschuldung übersteige die vorgesehene Marke um das Dreifache. In Kombination mit der ungewöhnlich hohen Gesamtverschuldung des Staates von 2,3 Billionen Euro oder 130 Prozent des BIP (erlaubt sind eigentlich 60 Prozent) würden die Stabilitätsregeln der Eurozone gravierend verletzt. Nun gab sich die Kommission damit zufrieden, dass die italienische Regierung die Ausgaben doch um zehn Milliarden Euro drosseln will, bezogen auf den ursprünglichen Entwurf.

Lösung nicht ideal

Laut Dombrowskis ist das keine ideale Lösung, schon gar nicht langfristig. Jetzt müsse Rom zeigen, ob es die Zusagen umsetze. Geschieht das nicht, könnte die Kommission im Frühjahr erneut ein Verfahren anstoßen. Wegen des EU-Wahltermins Ende Mai schließen Insider das aber praktisch aus. Im Juli 2019 wird im EU-Parlament ein neuer Kommissionspräsident gewählt.

Italiens Regierungschef Giuseppe Conte hatte schon am Vorabend nach einem Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker von einer Einigung gesprochen. Gleichzeitig betonte der Premier, dass die Pfeiler des Haushalts – die geplante Einführung eines Grundeinkommens sowie die Senkung des Pensionsalters von 67 auf 62 Jahre – trotz der Korrekturen nicht angetastet worden seien. Das entspricht aber nicht den Tatsachen: Für die beiden Maßnahmen, die laut Experten dutzende Milliarden Euro kosten würden, sind im neuen Budget nur noch etwa zehn Milliarden Euro reserviert. Wie die beiden Maßnahmen nun konkret ausgestaltet werden sollen und wann sie eingeführt werden, ist nach wie vor unbekannt.

Große Töne verklungen

Die Populistenregierung aus der Protestbewegung Cinque Stelle und der rechtsradikalen Lega, die bei der Verabschiedung ihres "Volksbudgets" noch die "Abschaffung der Armut in Italien" versprochen hatte, musste letztlich auf ganzer Linie klein beigeben. Dabei hatte Innenminister und Vizepremier Matteo Salvini von der Lega noch vor wenigen Tagen hinausposaunt, dass "Brüssel noch ein Dutzend Brieflein schreiben" könne und man trotzdem "keinen Millimeter" vom geplanten Defizit von 2,4 Prozent abweichen werde. Der Druck aus Brüssel sowie steigende Zinsen an den nervösen Finanzmärkten, die Italien bereits Milliarden gekostet haben, führten schließlich zum Umdenken.

Doch auch die EU-Kommission hat Zugeständnisse gemacht: Ursprünglich war mit Rom für 2019 ein Defizit von 0,8 Prozent vereinbart worden; später stieg die Schmerzgrenze schrittweise an. Dass man Italien nun ein Defizit von knapp über zwei Prozent durchgehen lässt, liegt nicht zuletzt daran, dass auch Frankreich das Defizit erhöhen will: Um die Gelbwesten zu besänftigen, will Präsident Emmanuel Macron die Neuverschuldung auf über drei Prozent anheben. Es wäre für die EU-Kommission schwierig geworden, den Italienern zu erklären, warum gegen Rom ein Strafverfahren eingeleitet wird und gegen Paris nicht.

An den Finanzmärkten hatte Italiens Schuldenhaushalt in den vergangenen Monaten immer wieder erhebliche Unruhe ausgelöst. Im Fall eines Kollapses der italienischen Staatsfinanzen hätten der gesamten Eurozone gravierende Folgen gedroht. Italien ist "too big to fail". Kippt das Land, würde es wohl auch die Währungsunion zerreißen, meinen zahlreiche Experten. (Dominik Straub, Thomas Mayer, 19.12.2018)